Vielleicht bezeichnet innocent seine Produktionsanlage am Hafen von Rotterdam in den Niederlanden deshalb als „earth’s favourite little healthy drinks factory“, um zu zeigen, dass man bescheiden seinen Platz einnimmt im Weltgefüge, aber dennoch großen Mut hat. Immerhin werden dort bis zu 300 Millionen Liter gekühlte Smoothies und Säfte für Kontinentaleuropa und Großbritannien gefertigt. Und ihre Bedeutung als Blaupause zum Lernen und Nachmachen für andere Hersteller wird ihre Produktionsfläche noch um Einiges übertreffen. innocent weiß: Jeder Tropfen Wasser, der nicht verloren geht, jede Tonne CO2, die nicht in die Atmosphäre gelassen wird, jede Kilowattstunde an Energie, die gespart wird, jedes Kilo Abfall, das wiederverwendet wird – all das summiert sich zu einem bemerkenswerten Beitrag.
Wo immer GEA unterstützen kann, die großen Träume von innocent zu verwirklichen, dort haben sich die Kollegen eingebracht: In ihrer Projektarbeit gemeinsam mit dem Planungsteam von innocent haben sie bewiesen, dass effizientes und zuverlässiges Prozessdesign mehr ist als die Summe der faktischen Maschinen- und Komponenten-Teile. Dahinter – und am besten auch zeitlich davor – steckt die wahre Ingenieurskunst. Dort werden die Prozesse aufgesetzt, die eine Herstellung wirklich nachhaltig machen können.
Selten binden Kunden GEA so frühzeitig ein, dass viele Details ganz neu gedacht werden können. Beim Blender-Projekt von innocent war dies der glückliche Fall und deshalb können die „kleinen Getränke“ tatkräftig dabei helfen, innocents Weg zum CO2-neutralen Betrieb zu beschreiten. Der CO2-Anteil zur Produktion jeder einzelnen Flasche wird im Blender akribisch gesenkt.
In diesem Projekt treffen Menschen aufeinander, die sich trauen: ergebnisoffen zu diskutieren, Reibungen durch unterschiedliche Ansichten auszuhalten, Pläne zu revidieren und sich gegenseitig zu neuen Lösungen anzutreiben. „Wir wollen unserem Planeten eine Stimme im Fabrikdesign geben“, so Andy Joynson von innocent. Er ist als früherer Site Director, „Chief Blender“ in innocent-Sprech, für dieses wegweisende Projekt verantwortlich und prüfte mit seiner Crew jeden Planungsschritt auf Umweltfreundlichkeit. Gewählt wurden nur Lösungen, die den Kohlendioxidausstoß und Wasserverbrauch mindern und Abfall als Ressource betrachten.
Der Schlüssel zur Lösung der Energiekaskade ist: Die mannigfaltigen Details zu einem großen Ganzen zu verbinden, die Mikro- zur Makroperspektive aufzuweiten. Die GEA Philosophie beschreibt Franz-Josef Helms, der den Auftrag prozessseitig betreut, so: „Wir wagen es, kleinteilig vorzugehen und jeden operativen Schritt in seinen Auswirkungen auf alle Folgenschritte zu beurteilen. Jede Entscheidung hat multidimensionale Auswirkungen. Von Anfang an haben innocent und wir uns gegenseitig herausgefordert. Während die Entwurfsplanung mit unseren Ideen wuchs, hat sich unser Team immer wieder angepasst – und es verwirklicht.“ Es erfordert ein gehöriges Maß an Erfahrung und Geschick von vielen Partnern, um solche bahnbrechenden Anlagenkonzepte zu verwirklichen. In GEA fand innocent einen Partner, der sich genau dies zutraute.
Franz-Josef Helms
Head of Engineering, Nicht-alkoholische Getränke, GEA
Robert Unsworth gehört zu GEAs Wärme- und Kältetechnikexperten, die die Planungsmannschaft im innocent-Projekt komplettierten. Sie brachten ihren Fokus auf die ganzheitlichen Engineeringlösungen GEA NEXUS in die Prozessplanung ein. Heiz- und Kühlbedarfe werden dabei direkt in der Planung der Prozesse mitgedacht – nicht erst im Nachhinein, wie es meist geschieht. Dadurch, so Unsworth, bleibe sehr viel Potenzial ungenutzt. Wer einzelne Anlagenteile oder Prozessschritte isoliert optimiert, verbessert die Effizienz zwar graduell, doch substanzielle Verbesserungen für Energieverbrauch und CO2-Fußabdruck lassen sich nur durch die ganzheitliche Betrachtung erreichen.
„Bringt man das Prozess-Know-how mit dem Heiz- und Kühl-Know-how zusammen, sprechen wir nicht mehr über ein paar halbe Prozentpunkte Verbesserung hier oder da. Es geht nicht um einzelne Maßnahmen wie den Austausch einer bestimmten Komponente oder die Justierung eines Parameters“, erklärt Unsworth.
Robert Unsworth
Global Technical Sustainability Manager, GEA Heating & Refrigeration Technologies
An welchen Hebeln setzt nun die Arbeitsgruppe von GEA und innocent an, um den Blender kohlenstoffneutral und auf Basis erneuerbarer Energien zu betreiben? Vier Teilaufgaben kristallisierten sich in der Planung heraus, die innocent helfen, Energie einzusparen, wieder zu verwenden, aufzuwerten und regenerativ selbst zu erzeugen – eine Energiegeschichte in vier Akten.
Wenn Nahrungsmittel und Getränke verarbeitet werden, wird eine Kraft benötigt: Wärme. Wärme, um zu kochen, zu sterilisieren, haltbar zu machen und Kälte, um Produkte wieder herunter zu kühlen, Geschmack, Nährstoff- und Vitamingehalt und Konsistenz zu sichern. Wärme ist Energie, deshalb ist es wichtig, den Bedarf an Wärme für jeden Verarbeitungsschritt zu prüfen und den Prozess sensibel zu justieren. GEAs Fachleute konnten durch ihre Zusammenarbeit den Heiz- und Kühlbedarf an vielen Stellen verringern – mit bemerkenswerten Auswirkungen auf den Energiebedarf der ganzen Anlage.
So lässt sich die Temperatur für die Pasteurisierung von 95 auf 90 Grad Celsius senken und dabei die Energiebilanz um drei Prozent verbessern. Dadurch ist es möglich, eine Wärmepumpe einzupassen, die zum Beispiel gefrorene Säfte mit warmem Wasser statt mit Dampf auftaut. GEA riet innocent zu zwei getrennten Heizkreisen für die Reinigungshygiene mit 65 Grad Celsius und 90 Grad Celsius, wo Pasteurisierung und Sterilisation ablaufen. Zudem wird innocent die Säfte bei höchstmöglicher Temperatur kühlen, denn jedes Grad Celsius, dass weniger gekühlt werden muss, verbessert die Energieeffizienz um sage und schreibe vier Prozent.
All diese Veränderungen gingen viele Tests voraus, die GEA akribisch durchführte: „Wir müssen sicherstellen: Kann die Technologie die Qualität liefern, die wir brauchen, wenn wir die Wärmebedarfe dosiert verändern? Die Antwort ist: ja! Zum Beispiel pasteurisieren wir mit weniger Temperatur, um Wärmepumpen einsetzen zu können. Das ist für die Lebensmittelverarbeitung ein Husarenstreich“, sagt Helms. Kleine Schritte, die das ganze Bild verändern.
Zweitens ermittelte GEA, wie und wo im Prozess die eingesetzte Energie zurückgeführt werden kann, um die Wärmeverluste zu minimieren. So wird innocent nun einen energieeffizienteren Pasteur mit einer größeren Wärmetauscherfläche verwenden. Praktischerweise lässt sich zur Reinigung benötigte Wasser mit der Abwärme der Luftkompressoren vorwärmen. GEA hat die Menge an Dampf soweit minimiert, dass er mit Elektro-Dampferzeugern generiert werden kann – gespeist mit grünem Strom. „Traditionell wird in der Getränkeproduktion die gesamte Wärme über 100°C mit Dampf als Medium bereitgestellt“, sagt Unsworth. „Das haben wir hinterfragt. innocent wird nur noch einen Bruchteil der Wärme mit Dampf erzeugen, was für die Sterilisation noch notwendig ist.“
Andy Joynson
Früherer „Chief Blender“ bei innocent
Haushaltsabfälle lassen sich aufwerten und umnutzen – neudeutsch upcyclen. Das kennen wir. Aber wie funktioniert das mit der Energie? In diesem dritten Schritt der Energieoptimierung spielen Wärmepumpen die Hauptrolle: Mit ihrer Hilfe wird die Energie aus der Saftfertigung – konkret die Abwärme aus der Kühlanlage – in einen geschlossenen Kreislauf überführt. GEA hat sie dort für innocent geplant, wo die zwei Temperaturbereiche mit 65 bzw. 90 Grad Celsius aufeinandertreffen. Überall dort, wo Heizprozesse über 100 Grad Celsius liegen, erhöhen elektrische Boiler die Temperatur. Natürlich benötigen diese genauso wie die Wärmepumpen Energie für ihren Betrieb.
So märchenhaft die Zusammenarbeit wirkt: Dieser Designprozess hat wenig mit Zauberei zu tun. Es geht vielmehr darum, Prozessschritte und Parameter ganz offen darzulegen und sich zu neuen Wegen anzuspornen. GEA und innocent – beide Seiten haben davon profitiert, traditionelle Vorgehensweisen zu hinterfragen. innocent möchte eine klimaneutrale Fabrik, ist aber nicht der Illusion einer energiefreien industriellen Fertigung erlegen.
Deshalb entschied sich viertens innocent dafür, die benötigte Energie selbst herzustellen – durch Sonnenkollektoren und großen Windturbinen nördlich und südlich des Geländes. Dem Unternehmen war es wichtig, nicht in bestehende Versorgungssysteme vor Ort einzugreifen und Netzkapazitäten in Anspruch zu nehmen. Alles, was die Produktion verbrauchen wird, stellt die Blender-Belegschaft selbst her.
Andy Joynson wirft einen Blick in die Zukunft: Durch die Wahl des Rotterdamer Hafens als Standort werden viele Kilometer auf der Straße eingespart, also auch Tonnen von Treibhausgasemissionen vermieden. Eines Tages soll innocents Orangensaft, der immer noch auf der Straße transportiert werden muss, mit den weltweit ersten emissionsfreien 50-Tonnen-Lkws von A nach B transportiert werden – mit den ersten batteriebetriebenen Elektrofahrzeugen Europas.
Kohlendioxidemissionen zu reduzieren ist die eine Disziplin. Um den Blender wirklich nachhaltig zu designen, hat GEA seinen Mikro-Makro-Ansatz auch für die Themen Wasserverbrauch und Abfallaufkommen in der Saftherstellung angewendet. Helms, dessen Team auch hierfür jeden einzelnen Arbeitsschritt unter die Lupe genommen hat, sagt: „Am meisten sparen wir durch die außergewöhnliche CIP-Projektierung. Wir haben ein CIP-System aufgebaut, dass erstens die zu reinigende Fläche minimiert und zweitens eine wegweisende Technologie von Fluidor nutzt, die die Rohre mit einen Lufttornado statt Wasser reinigt. Durch die Adaption dieses Fluivac-Systems kann innocent 98 Prozent des Saftes aus der Prozessverrohrung zurückgewinnen.“
Ein weiteres ungewöhnliches Nachhaltigkeitsdetail: „Zur natürlichen Spülung der Dichtung dient Zitronensaft statt Wasser, denn der niedrige pH-Wert verhindert das Bakterienwachstum.“ Dank der Trockenkondensatoren wird innocent 45 Prozent weniger Wasser verbrauchen, als in der ursprünglichen Designstudie ausgerechnet. Mit der Anpassung des Fluivac-Systems an das GEA CIP-System ist GEA noch einen Schritt weiter gegangen: Die Kombination senkt den Wasserbedarf drastisch. Geht nicht? Gibt’s nicht.
Andy Joynson sagt, mit einem Augenzwinkern: „Ich möchte GEA meine Anerkennung aussprechen, denn sie haben uns auf diesem Weg begleitet und dazu beigetragen, konventionelle Designansätze in Frage zu stellen. All die kleinen Schritte summieren sich zu einem großartigen Erfolg. ”