8. April 2024
In Tansania sterben jedes Jahr Tausende von Menschen, weil sie keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser haben. Hohe Kosten für die medizinische Versorgung sowie Produktivitätseinbußen belasten die Wirtschaft des Landes mit geschätzt über 2,4 Milliarden US-Dollar pro Jahr. Das Wasserholen ist meist Aufgabe der Frauen und Kinder, denen so die Chance auf Arbeit außer Haus oder der Schulbesuch verwehrt bleibt. Eine unzureichende Sanitärversorgung ist für Mädchen ein weiteres Hindernis auf dem Weg zur Schulbildung.
Um mehr über die Wasserknappheit in Tansania zu erfahren, sprachen wir mit Carolin Stüdemann, geschäftsführender Vorstand von Viva con Agua de Sankt Pauli e.V. Wir wollten auch wissen, wie es mit Unterstützung von GEA gelingt, den Menschen vor Ort einen besseren Zugang zu sauberem Trinkwasser und sanitärer Versorgung zu bieten.
Carolin Stüdemann, geschäftsführender Vorstand von Viva con Agua de Sankt Pauli e.V., Hamburg (Bild: Viva con Agua/Florian Quandt)
Carolin Stüdemann (CS): In Tansania ist vergleichsweise viel Süßwasser vorhanden; trotzdem kann man es nicht immer bedenkenlos trinken oder zum Waschen verwenden. Je nach Jahreszeit haben zwischen einem Drittel und der Hälfte der Bevölkerung keinen Zugang zu sauberem Wasser. Und nicht selten befindet sich die nächstgelegene Wasserstelle an einem schwer zugänglichen Ort, was das Wasserholen zu einem anstrengenden und mitunter gefährlichen Unterfangen macht.
Natürlich sind Brunnen vorhanden, aber viele sind verunreinigt, beispielsweise aufgrund rostiger Rohre oder als Folge von landwirtschaftlichen und industriellen Aktivitäten. In einigen Gebieten realisieren wir unsere Projekte 2.000 Meter oder mehr über dem Meeresspiegel, wo der Bau neuer Brunnen wegen des zu tiefen Grundwasserspiegels praktisch unmöglich ist. Theoretisch könnten regelmäßige Untersuchungen der verfügbaren Wasserquellen Krankheiten eindämmen, doch die finden in der Praxis kaum statt.
CS: Ja, definitiv. In den Communities müssen sich die Menschen an die veränderten Wetterverhältnisse anpassen. Die Regenzeit ist oft kürzer als früher, wodurch Familien keine ausreichenden Wasservorräte anlegen können. Ein weiteres Problem sind Überschwemmungen, die auch vor Toiletten- und Wascheinrichtungen nicht halt machen. Die oft damit einhergehende Verunreinigung von Trinkwasserquellen wiederum erhöht die Gefahr von Cholera.
CS: Unsere Teams sind mit ihren WASH-Projekten (WASH = Wasser, Sanitärversorgung und Hygiene) in teilweise extrem benachteiligten Gegenden unterwegs. In Kooperation mit den lokalen Behörden ermitteln wir die Schulen, in denen sichere Wasser- und Hygieneeinrichtungen fehlen. Je nach den lokalen Gegebenheiten und Anforderungen managt Viva con Agua neben der Installation von Toiletten und Waschanlagen auch die Brunnenbohrarbeiten, das Sammeln des Regenwassers auf Dächern und andere naturbasierte Lösungen. Darüber hinaus bieten wir Hygienekurse für die Schüler an.
Es gibt nie die eine Lösung – dafür sind die Gegebenheiten einfach zu divers. Am Anfang steht immer die Analyse der möglichen Standorte und das Testen der jeweiligen Wasserqualität. Danach erarbeiten wir einen Projektplan und stimmen diesen mit den Behörden vor Ort ab. Außerdem untersuchen wir bestehende Brunnen und Infrastruktur und führen Reparaturarbeiten durch – das ist deutlich kostengünstiger als neue Anlagen zu bauen.
CS: In Tansania befinden sich viele Schulen zwischen den Dörfern, damit mehr Kinder Gelegenheit zum Schulbesuch haben. Als Mittelpunkt des sozialen Lebens sind sie ein idealer Standort für Wasserprojekte. Schließlich stehen die Wasserversorgung und die sanitären Einrichtungen, die wir gemeinsam mit Förderern wie GEA realisieren, allen Menschen der Community zur Verfügung und erzielen gerade deshalb maximale Wirkung.
Hygieneschulungen sind ebenfalls sehr wichtig und daher integraler Bestandteil unserer Projekte. Mit Sport, Musik und Kunst als universellen Sprachen vermitteln wir den Kindern auf spielerische Art den Sinn und die Vorteile einer hygienischen Lebensweise. Und dieses Wissen geben sie an ihre Eltern weiter. Schulkinder sind ein idealer Multiplikator, wenn es darum geht, neue Verhaltens- und Denkmuster zu etablieren.
Das Ergebnis sind weniger Durchfallerkrankungen aufgrund von verunreinigtem Wasser, was sich wiederum positiv auf die lokale Wirtschaft und natürlich auch auf den Schulbesuch auswirkt. Gerade der Schulbesuch ist so wichtig, bietet er jungen Menschen doch die Möglichkeit, Einfluss auf ihr weiteres Leben und ihre Zukunft zu nehmen.
Schüler erhalten eine WASH-Schulung auf dem Spielfeld, Mbulu-Distrikt, Tansania. (Bild: Giri Khatri für Viva con Agua)
CS: GEA ist 2022 an uns herangetreten. Daraufhin haben wir gemeinsame Ziele formuliert und einen Dreijahresplan erarbeitet. 2023 erhielten wir von GEA eine Spende zum Testen von Nebelnetzen in der Region Babati. Dort war die Wasserausbeute jedoch nur gering, weshalb wir unsere WASH-Projekte in den Mbulu-Distrikt in der Region Manyara verlagerten. Nach erfolgreichen Tests haben wir hier inzwischen mit der Installation der Nebelnetze begonnen. Sie werden bis zu 1.000 Liter sauberes Trinkwasser für jede der acht im Rahmen des Projekts betreuten Schulen liefern. Der Aufbau aller Nebelnetze soll bis 2025 abgeschlossen sein.
Zusätzlich nutzen wir das Know-how von GEA bei der Analyse von Wasserproben und die Empfehlungen des Unternehmens für die Wasseraufbereitung. Und erst unlängst haben wir von der GEA-Einkaufsabteilung Ideen für eine kostengünstigere Beschaffung von Ausgangsmaterialien erhalten.
CS: Das Sammeln von kondensiertem Wasser ist eine altbekannte Methode. Vor rund zwanzig Jahren verfeinerte man die Technik und entwickelte Spezialnetze, um Wasser aus Nebelwolken zu extrahieren. Hierbei werden mehrere Netze entgegengesetzt zur vorherrschenden Windrichtung aufgestellt. Sobald sich die Nebelfelder durch ein Netz bewegen, bleiben feinste Wassertröpfchen an den Maschen hängen. Ein zweites Netz reibt gegen das erste und führt so die Tröpfchen zusammen. Wenn diese schwer genug sind, fallen sie nach unten in ein Auffangbecken, von wo aus sie in einen größeren Behälter gelangen.
In den ländlichen Gebieten Tansanias ist Regenwasser eine Lebensader für die Menschen. Während der Trockenzeit fällt jedoch nur wenig Regen, so dass traditionelle Wassersammelmethoden nur bedingt helfen. Aber selbst in den regenarmen Monaten befindet sich immer noch viel Feuchtigkeit in der Luft, weshalb es in Tansania verstärkt zu Nebelbildung kommt. Die Netze in Mbulu fangen durchschnittlich zwischen 600 und 800 Liter Wasser pro Tag auf; an einem besonders nebligen Tag können es sogar bis zu 1.000 Liter sein. Der große Vorteil dieser Methode besteht darin, dass man kostenlos Wasser erhält, das oftmals sogar noch sauberer ist als das Grundwasser. Außerdem benötigt man keinen elektrischen Strom, und beschädigte Netze lassen sich ganz leicht reparieren. Zur Reinigung müssen die Netze lediglich von Zeit zu Zeit ausgebürstet werden.
CS: Wir haben in Tansania schon viel erreicht, aber noch bleibt einiges zu tun. Durch den Klimawandel müssen die Communities das Thema Wasser künftig noch stärker priorisieren. Bei der Umsetzung unserer Projekte können wir auf die Unterstützung der lokalen Behörden zählen. Wir bleiben mit den von uns betreuten Schulen in Kontakt und behalten die weitere Entwicklung sowie die Kontrollen vor Ort im Blick.
CS: Die Versorgung mit sauberem Trinkwasser und sanitären Einrichtungen muss weltweit noch stärker vorangetrieben werden. Das ist die Grundlage für Verbesserungen auf zahlreichen anderen Gebieten. 2020 starben in Tansania 17.587 Menschen an Durchfallerkrankungen, die damit 5,96 Prozent aller Todesfälle ausmachten. Und wenn Menschen täglich drei, vier Stunden mit der Suche nach – im Zweifelsfall auch verunreinigtem – Wasser verbringen, ist das einfach eine enorme Verschwendung von Potenzial. Und das führt zwangsläufig zu einer massiven Benachteiligung. Diesen Menschen müssen wir den Einstieg in ein anderes, besseres Leben ermöglichen und ihnen den Weg in eine Zukunft ebnen, die sie dann immer stärker eigenverantwortlich gestalten werden.
„Wir wissen um die elementare Bedeutung von sauberem Trinkwasser für viele Gemeinschaften weltweit. Daher freuen wir uns umso mehr, dass wir einen positiven Beitrag für ein besseres Leben von Schulkindern und ihren Familien in Tansania leisten.“
- Dr. Nadine Sterley, Chief Sustainability Officer, GEA
Wir bei GEA wollen unseren Purpose – Engineering for a better world – jeden Tag aufs Neue mit Leben erfüllen. Dieser dient auch als zentrales Leitbild für die Nachhaltigkeitsaktivitäten des Konzerns. Unsere Teams realisieren Projekte zur Wasserrückgewinnung und -aufbereitung für Kunden aus aller Welt. Über die positive Wirkung dieser Projekte für Unternehmen und Communities freuen wir uns sehr. Der Kampf gegen Kinderarmut und der Einsatz für einen besseren Zugang zu sauberem Trinkwasser sind zentrale Themenfelder unseres Programms für wissensbasierte Freiwilligenarbeit. Daher ist uns die Unterstützung der Arbeit von Viva con Agua in Tansania ein großes Anliegen.
Bild: Bau eines Wasserspeichertanks in der Nambis-Schule, Mbulu-Distrikt, Tansania. (Giri Khatri für Viva con Agua)