13 Dec 2016
Nanofasern und Nanokristalle aus Zellulose, die aus den verschiedensten natürlichen Quellen wie Zellstoff (mit einem Gewichtsprozentsatz an Zellulose von 50 %), Ananasblättern, Traubenschalen und auch einigen Bakterien extrahiert werden, bieten eine vielversprechende eigensichere und absolut „grüne“ Ressource, die die Material- und Biomaterialwissenschaften revolutionieren könnte.
Wir Menschen machen uns das weltweite Reichtum an auf Zellulose basierenden Materialien einschließlich Holz, Baumwolle, Sisal, Hanf und anderen Nutzpflanzen seit Jahrtausenden für unsere Bau-, Textil-, Papier- und Lebensmittelbranche zunutze. Aber erst 1977 haben Forscher erstmals die Homogenisierung verwendet, um Zellulosefasern aus Zellstoff physikalisch in ihre Bestandteile, die Nanofibrillen, zu scheren, ohne die Glucose-Polymere zu zerstören. Seit damals haben Wissenschaftler mechanische, chemische und bioenzymatische Methoden entwickelt, um die langen, dünnen Zellulose-Nanofibrillen (CNF) und die kürzeren, stäbchenförmigen Zellulose-Nanokristallstrukturen (CNC) aus zahlreichen Pflanzen und anderen biologischen Ausgangsstoffen herzustellen.
Die laufende Nanozellulose-Forschung hat gezeigt, dass dieses weltweit verfügbare Makromolekül preiswerte, biologisch abbaubare Alternativen zu Materialien auf petrochemischer Basis, Verbundmaterialien und abgebauten Metallen bieten könnte. Diese Verheißung hat die Regierungen, Industrien und Hochschulen dazu angeregt, die Forschung und Entwicklung für Nanozellulose anzukurbeln und kleine, in letzter Zeit auch industrielle Nanozellulose-Produktionsanlagen zu schaffen. Laut RISE (Research Institutes of Sweden) hat es sich Schweden zum Ziel gesetzt, eine Plattform zu etablieren, die sich der in großem Maßstab angelegten, nachhaltigen Herstellung von Nanozellulose und Hochleistungswerkstoffen und Produkten auf Basis von Nanozellulose widmet, die bis 2025 aus den eigenen Forstressourcen stammen.
Die Anwendungsmöglichkeiten von Zellulose in Nanostruktur sind nahezu grenzenlos. Da sie leichter, aber steifer als Kevlar® ist und über eine achtmal so hohe Zugfestigkeit wie Stahl verfügt, kann Zellulose im Nanobereich elektrisch leitend, besonders saugfähig und wärmebeständig sein. Das Material kann in Bögen oder andere Strukturen, wie Schichtstoffe oder transparente Folien geformt werden und in viele verschiedene Hochleistungsmaterialien für Verbraucher-, industrielle und biomedizinische Anwendungen integriert werden.
Neben der Verstärkung von Papier und Karton, Beton und Kunststoffen wurden die Eigenschaften von Nanozellulose auch genutzt, um die Qualität von Schäumen und Gelen, Textilien und Klebstoffen zu verbessern. Verbundstoffe aus Nanozellulose könnten als starke, leichtgewichtige und kostengünstige Alternativen zu nicht erneuerbaren Kohlefasern und Glasfasern2 entwickelt werden und bieten eine nachhaltige Alternative zu Kunststoffen aus fossilen Rohstoffen, die derzeit zur Herstellung von Produkten so unterschiedlicher Art wie Kunststoffstühle und Mülleimer und Komponenten von Autos und Flugzeugen2, verwendet werden. CNC könnte zur Herstellung von großen Bildschirmen und Solarpaneelen oder sogar zur Produktion von Batterien und Superkondensatoren oder für intelligente Materialien, die auf externe Reize wie Wärme, Licht, Elektrizität, pH oder Druck3,4 reagieren, genutzt werden. Nanozellulose könnte auch die Grundlage für völlig neue Verabreichungsmaterialien für Medikamente, Biosensoren, Diagnostik und sogar Kosmetik2 bilden.
Da Nanozellulose aus jeder pflanzlichen Quelle gewonnen werden kann, wozu auch landwirtschaftliche Abfälle wie Weizenstroh zählen, könnten wir eines Tages auf Papier schreiben, das ohne Verwendung von Bäumen oder Wasser3 produziert wurde.
Parallel zur weiteren Forschung und Entwicklung für Endprodukt-Anwendungen von Nanozellulose widmet sich die Industrie auch nachhaltigen, kostengünstigen und effizienten Technologien für die Herstellung von Ausgangsmaterialien aus Nanozellulose für industrielle und medizinische Anwendungen. Oberstes Ziel ist die Entwicklung von nachhaltigen und umweltgerechten Produktionsmethoden auf industrieller Ebene, mit denen die Verwendung von Energie und Ressourcen minimiert und der Abfall reduziert werden.
Nanozellulose kann sowohl mit Bottum-up-Methoden, durch Herstellung von Zellulose-Polymeren aus Glucose-Monomer-Einheiten, als auch mit Top-down-Methoden, durch Aufspaltung der Pflanzenzellwände und Fasern zur Freisetzung der Mikro- und Nanofibrillen und Nanokristalle der Zellulose, produziert werden.
Die primären Produktionsprozesse mit Top-down-Ansatz beinhalten die Säurehydrolyse für die CNC-Erzeugung und die Hochdruck- (HP) Homogenisierung für die CNF-Produktion, obschon auch von neuen Prozessen berichtet wird.
Bei der HP-Homogenisierung werden mechanische Scherkräfte angewandt, um Zellulosefasern in ihre Bestandteile, die Nanofasern, zu brechen. Das Scheren zerstört die Pflanzenzellwandmatrix, setzt die Bündel der Zellulose-Mikrofibrillen frei und bricht dann die Wasserstoffbrücken, mit denen die Nanofibrillen längslaufend zusammengehalten werden, wodurch die langen Nanofasern freigelegt werden. Dieser Prozess kann durch eine Vorbehandlung unterstützt werden, z. B. durch leichte Schleifung, Verwendung von Enzymen oder Chemikalien, die den pH-Wert heben. CNF wird zwar vorwiegend aus Zellstoff extrahiert, aber es kamen bereits auch zahlreiche andere Pflanzenquellen wie Flachs oder Hanf, Karotten, Kartoffeln, Bambus, Kokosnussschalen und Zuckerrohr1 zum Einsatz.
In jahrzehntelanger Technologie- und Engineering-Erfahrung hat GEA ein Know-how in den Bereichen der Niederdruck- und Hochdruck-Homogenisierung aufgebaut, das Pionierarbeit bei den Homogenisierungstechnologien für die Verarbeitung von CNF leistet. Unser in Zusammenarbeit mit der Industrie entwickeltes, patentiertes CNF-Homogenisierungsventil, NanoVALVE HP, ermöglicht eine schnellere Verarbeitung von qualitativ hochwertigeren CNF bei wesentlich geringerem Druck und mit reduzierten Energiekosten. Standard-Ventile verarbeiten CNF aus Pflanzenquellen mit einem Druck von 1.500 bar und ermöglichen normalerweise einen Durchsatz von etwa 5.000 l/h. Im Vergleich dazu arbeitet unser patentiertes Ventil NanoVALVE HP mit der Hälfte dieses Drucks – 700 bar –, ermöglicht aber einen Durchsatz von 14.000 l/h. Und da dieses System mit einem geringeren Druck arbeitet, muss die Nanozellulose bei der Verarbeitung nicht so stark erhitzt werden, wodurch das Bedürfnis, die aus dem Homogenisator austretenden CNF zu kühlen, reduziert wird.
„Wir widmen uns bereits seit einigen Jahren der aktiven Entwicklung von Homogenisierungstechnologien für die Produktion von Zellulose-Nanofasern“, erklärt Silvia Grasselli, Senior Specialist für Prozesstechnologien – Leiterin des Bereichs CPT Homogenisierung bei GEA. „NanoVALVE HP ist die Krönung unserer Forschung und Entwicklung, die der Industrie einen wirksameren, effizienteren und nachhaltigeren Herstellungsprozess für dieses neue Material ermöglicht. Die Ventilkonstruktion erzeugt eine sehr spezifische Strömungsverteilung, wenn die Zellulose durchläuft. Dadurch wird der Homogenisierungseffekt optimiert und es werden äußerst beständige, qualitativ hochwertige Nanofasern hergestellt. Sowohl der geringe Betriebsdruck des Ventils als auch der reduzierte Kühlbedarf des Produkts sorgen dafür, dass Energie eingespart wird, während der schnellere Durchsatz die Effizienz deutlich verbessert. Und da NanoVALVE HP bei einem wesentlich geringeren Druck arbeitet, wird auch die Belastung der Funktionsteile reduziert, wodurch sich die Lebensdauer des Equipments erhöht. Die Industrie entdeckt fortlaufend neue Anwendungsmöglichkeiten für Nanozellulose, deren einzigartige Eigenschaften so viele Materialien revolutionieren könnte, denen wir in unserem täglichen Leben begegnen. GEA hat daran gearbeitet, zuverlässige, robuste und effiziente Technologien zu entwickeln, die es ermöglichen werden, Nanozellulose auf der ganzen Welt preisgünstig und nachhaltig zu produzieren.“