21 Sep 2020
Neben der Optimierung der Futtereffizienz ist die Förderung der Eutergesundheit der nach wie vor wichtigste Beitrag zur Steigerung der Rentabilität von Milchviehbetrieben. Ungeachtet der Vielzahl epidemiologischer Studien sowie der weltweiten Behandlungs- und Kontrollprogramme ist Mastitis in puncto Kuhgesundheit immer noch die größte Herausforderung.
Im Interview gibt Dr. Susanne Klimpel, Leiterin Produktmanagement für Komponenten und Farm-Management bei GEA Farm Technologies, einen Einblick zum Stand der Dinge in diesem Bereich der Tierwissenschaften und in der Milchproduktion. Sie erläutert außerdem, wie GEA die Landwirte bei der Überwachung und Bekämpfung von Mastitis unterstützt.
SK: In den letzten zehn Jahren gab es diverse Entwicklungen rund um Eutergesundheit und -hygiene, die eine neue oder angepasste Strategie beim Betriebs- und Herdenmanagement erforderlich gemacht haben. Zum Beispiel:
Die epidemiologische Entwicklung von Mastitiserregern hat Anpassungen der bisherigen Behandlungsmethoden in vielen Ländern notwendig gemacht
Das Wohlbefinden der Kühe hat an Bedeutung gewonnen; außerdem geht der Trend zu begleitenden entzündungshemmenden Therapien, um Gewebeschäden zu reduzieren und Schmerzen zu lindern
Neben einer stärkeren Regulierung beobachten wir insgesamt einen reduzierten Einsatz von Antibiotika und eine zunehmende Fokussierung auf andere Präventionsmethoden; mittlerweile wird selektives Trockenstellen von Kühen immer häufiger angewendet
Automatische Melksysteme liefern den Betreibern mehr Informationen; sie dienen als Grundlage für fundierte Entscheidungen
SK: Mastitis ist im Wesentlichen eine Entzündung des Eutergewebes. Gelangen Bakterien in das Euterinnere, kann dies zu einer Infektion führen, aber nicht zwangsläufig zu einer Entzündung. Zu den häufigsten Symptomen gehören Schwellung, Wärme, Rötung, Verhärtung und Schmerzen. Weitere Indikatoren sind Veränderungen der Milch, wie z.B. wässriges Aussehen, Flocken- oder Klümpchenbildung. In einigen Fällen kann eine Mastitis subklinisch – also asymptomatisch – verlaufen. Unerkannt kann diese Krankheit ernste Konsequenzen nach sich ziehen.
Ein Anstieg der somatischen Zellen ist ein Anzeichen für eine Entzündung. Ein zu hoher Gehalt an diesen körpereigenen Zellen in der Tankmilch ist gleichbedeutend mit einer verminderten Milchleistung der Herde. Doch auch wenn eine Entzündung, eine Erhöhung der somatischen Zellen oder sogar eine klinische Mastitis vorliegt: Oft können keine krankheitsverursachenden Bakterien isoliert werden. Eine geringere Milchproduktion, höhere Keulungsrate und zusätzliche Behandlungskosten sind die größten Herausforderungen, denen sich Milchviehbetriebe im Falle von Euterinfektionen gegenübersehen. Außerdem besteht die Gefahr, dass unentdeckt gebliebene kranke Tiere die Bakterien ausscheiden und andere Kühe infizieren.
SalvoSpray AMS von GEA ist ein jodfreies Bio-Zitzendippmittel auf Basis natürlich vorkommender Milchsäure. Es ist speziell für automatische Melksysteme (AMS) konzipiert, kann aber auch manuell gesprüht und gedippt werden. Mastitis auslösende Erreger werden sicher abgetötet; ein 6-facher Pflegekomplex sorgt für glatte, geschmeidige Zitzen.
SK: Die Anzahl somatischer Zellen weist auf eine Immunantwort des Eutergewebes hin. Sie kann auf verschiedene Weise überwacht werden: für die gesamte Herde anhand der Tankmilch oder für einzelne Tiere durch die Analyse von Milch aus allen vier bzw. aus einzelnen Zitzen. Die ersten beiden Methoden werden schon seit Jahrzehnten angewendet. Hierbei werden die Informationen durch die Molkerei oder durch Milchkontrollorganisationen mit Hilfe von Laboranalysen oder durch Probenahme auf dem Betrieb gewonnen. Proben aus einzelnen Eutervierteln sind hingegen seltener untersucht worden, da diese Methode zeit- und kostenintensiv war.
Der Gehalt an somatischen Zellen in der Tankmilch (BMSCC) hat aber nur eine begrenzte Aussagekraft hinsichtlich der Eutergesundheit. Da die Milch von klinisch infizierten Kühen gar nicht erst an den Milchverarbeiter geliefert, sondern gleich verworfen werden sollte, wird ein BMSCC-Anstieg unter Umständen nicht angezeigt. Folglich könnte eine hohe Inzidenz neuer klinischer Infektionen unentdeckt bleiben. Dagegen führt eine große Zahl subklinischer Infektionen, die oft chronisch verlaufen können, sehr wohl zu einem BMSCC-Anstieg. Subklinische Infektionen sind schwieriger festzustellen als klinische Fälle, da sie eine individuelle Beobachtung und Untersuchung einzelner Tiere erfordern. Eine erhöhte Anzahl somatischer Zellen beeinträchtigt die Milchleistung. Daher werden erhöhte Zellzahlen mitunter erst dann erkannt, wenn ein kritischer Wert in der Tankmilch verzeichnet wird oder die Infektion klinischen Status erreicht. Und wie bereits erwähnt, könnten unentdeckt gebliebene kranke Tiere Bakterien ausscheiden und andere Kühe infizieren. Der Gehalt somatischer Zellen in der Tankmilch lässt Rückschlüsse auf die Eutergesundheit der gesamten Herde zu, doch die klinischen und behandelten Fälle von Mastitis bleiben dabei unberücksichtigt.
Analysen von Zellzahlmessungen bei einzelnen Kühen erfolgen normalerweise über die monatlichen Milchkontrollen oder durch Probenahmen der gesamten Herde. Beide Strategien beeinträchtigen jedoch den routinemäßigen Ablauf im Betrieb und beim Herdenmanagement. Nach der Laboranalyse dauert es meist mehrere Tage, ehe die Landwirte die Resultate erhalten. Anhand der Informationen können Kühe mit einer erhöhten Zellzahl im Gemelk ermittelt werden – dies ist insbesondere für Färsen und erstlaktierende Tiere sehr wichtig. Während der Spätlaktation können diese Daten für Entscheidungen zur Trockenstehzeit herangezogen werden.
Obwohl diese Methode durchaus Informationen zu einzelnen Tieren liefert, lässt sie dennoch viel zu wünschen übrig. Schließlich sind Messungen bei nur 1-2 Melkvorgängen pro Monat nicht mehr als eine Momentaufnahme, und man erfährt nichts darüber, was in der Zeit zwischen den Probenahmen passiert. So könnte beispielsweise eine subklinische Mastitis unentdeckt bleiben, wenn sie zwischen zwei Kontrolltagen auftritt. Diese ungenauen Informationen könnten den Betreiber zu einer Behandlung während der Trockenstehzeit veranlassen. Hierdurch könnte sich jedoch später das Risiko einer erneuten Infektion im nächsten Laktationszyklus erhöhen. Ebenso kann eine Kuh, die nur in einem oder zwei Vierteln eine hohe Zellzahl aufweist und dadurch weniger Milch produziert, immer noch als „normal“ durchgehen.
SK: Mastitis ist eine Herausforderung, die wir bei GEA mit aller Konsequenz angehen. Vor zwei Jahren brachten wir das weltweit erste Echtzeitsystem zur effektiven Früherkennung der Zellzahlklasse in jedem Euterviertel auf den Markt. Unser Zellzahlsensor DairyMilk M6850 kann in verschiedene automatische Melksysteme von GEA (z. B. die frühere Monobox, den DairyRobot R9500 oder DairyProQ) integriert werden, um die Zellzahlklasse pro Euterviertel zu ermitteln. Jeder Melkvorgang wird analysiert – das ist einzigartig bei unserer Lösung. Anhand der Analyseergebnisse erkennt der Landwirt sofort, wenn es Verdachtsmomente gibt und einzelne Tiere beobachtet und gegebenenfalls behandelt werden müssen.
Der GEA DairyMilk M6850 analysiert die Milch während des gesamten Vorgangs, vom ersten bis zum letzten Tropfen, und überwacht alle Änderungen, die beim Melken auftreten. Und da keine Verbrauchsmaterialien, wie Reagenzien oder Reinigungsmittel, verwendet werden, kann jeder Melkvorgang ohne zusätzliche Kosten und ohne Milchverschwendung analysiert werden. Für die Landwirte löst diese Technologie gleich mehrere zentrale Herausforderungen. Das sind die Vorteile:
Da die Milchleistung und das Mastitisrisiko während der Laktation variieren, ändert sich auch die Art und Weise, wie die Informationen genutzt werden. Zu Beginn der Laktation besteht das Risiko einer akuten, oftmals klinischen Infektion des Euters. Ursachen hierfür sind die Übergangsphase und die Belastung des Immunsystems. Eine Früherkennung während dieser Zeit ist gleichermaßen wichtig wie effektiv: Durch rechtzeitiges Eingreifen lassen sich Leistungsabfälle in der Milchproduktion reduzieren, und außerdem können sich die Tiere schneller erholen.
Darüber hinaus kann der Behandlungsfortschritt überwacht werden. Somit erfolgt auch weiterhin bei jedem Melkvorgang eine Analyse der Zellzahl pro Euterviertel, selbst wenn die Kuh behandelt und ihre Milch verworfen wird. Ein Rückgang der Zellzahlklasse lässt sich daher sofort feststellen. Wenn die Behandlung nicht anschlägt und die Kuh weiterhin gefährdet ist, kann die Behandlung schnell umgestellt werden. Nach dem Höhepunkt der Laktation sinkt das Risiko einer akuten Mastitis. Allerdings steigt dann möglicherweise die Gefahr einer subklinischen Infektion, wenn etwa eine akute Mastitis chronisch und subklinisch wird oder wenn es zu einer Infektion mit kuhassoziierten Bakterien kommt. Betroffene Tiere können identifiziert und umgehend behandelt oder von der Herde getrennt werden. Auch anderweitige Managemententscheidungen lassen sich zügig umsetzen.
Letztendlich liefert die kontinuierliche Kontrolle der Zellzahlklasse pro Euterviertel während der gesamten Laktationsperiode allen Beteiligten – Landwirten, Herdenmanagern und Tierärzten – zuverlässige Daten, um die richtige Entscheidung zu treffen.
SK: In der ersten Woche nach dem Trockenstellen und zum Zeitpunkt des Kalbens sind die Kühe besonders anfällig für Euterentzündungen. Jahrzehntelang wurden die Tiere vor dem Trockenstellen mit Antibiotika behandelt, um die Zahl oder den Schweregrad der Mastitisfälle zu minimieren. Im Laufe der Zeit erkannte man in diesem Vorgehen jedoch eine weitere Ursache für den übermäßigen Einsatz von Antibiotika bei Milchkühen – ein Missstand, der im Übrigen auch die Resistenzsituation bei Menschen beeinflussen kann. Mit dem GEA DairyMilk M6850 lässt sich die Organisation rund um das Trockenstellen optimieren. Landwirte sind damit in der Lage, einzelne Krankheitsfälle zu entdecken und nach Möglichkeit nur die betroffenen Tiere statt der gesamten Herde zu behandeln, vorausgesetzt die Situation auf dem Betrieb erlaubt dieses Vorgehen. Ausgaben für teure Medikamente lassen sich dadurch natürlich auch reduzieren.
– Dr. Susanne Klimpel, Leiterin Produktmanagement für Komponenten und Farm-Management, GEA Farm Technologies