Ökobilanz für Abfüllsysteme: Vom Lebenszyklus lernen

22 Aug 2022

Ökobilanz für Abfüllsysteme: Vom Lebenszyklus lernen

Um seine Produktentwicklung konsequent auf die Klimaziele auszurichten und gleichzeitig Herstellern fundierte Nachhaltigkeitsdaten zur Verfügung zu stellen, ermittelt GEA die Umweltbelastung seiner Maschinen in sogenannten Lebenszyklusanalysen (LCA). Künftig werden diese Analysen integraler Bestandteil des Designprozesses bei GEA und dazu beitragen, Nachhaltigkeit und Transparenz für die Kunden zu erhöhen. GEAs Ökobilanz seiner Getränkeabfüllanlagen ist eines der ersten Beispiele auf dem Markt für Filling & Packaging.

GEA möchte bis 2040 die netto Null für seine gesamten Emissionen erreichen. Auf diesem Weg konzentriert sich GEA vor allem auf die Scope-3-Emissionen entlang der Wertschöpfungskette, denn diese machen den größten Anteil der emittierten CO2-Äquivalente (CO2e) des Unternehmens aus. In einem ersten Schritt plant GEA bis 2030 eine Senkung der Scope-3-Emissionen um 18 Prozent gegenüber 2019. Entscheidend hierfür wird die Reduzierung des CO2-Fußabdrucks der Maschinen während der Nutzungsphase sein. Dies gilt für Maschinenbau und Fertigungsindustrie insgesamt, die mit heutigen Technologien und künftigen Innovationen einen großen Beitrag auf dem Weg zu Net Zero leisten können. Wenn es gelingt, die Betriebseffizienz der Anlagen kontinuierlich zu verbessern, hilft es Kunden, Wärmeenergie, Strom und Ressourcen einzusparen.

Ein erster Schritt auf dieser Reise ist Transparenz zu gewährleisten: „Immer mehr Kunden fordern detaillierte Informationen über die Auswirkungen der GEA-Anlagen auf die Umwelt – nicht nur in der Nutzungsphase, sondern während der gesamten Lebensdauer“, so Donato De Dominicis, Senior Vice President bei GEA für den Bereich Filling and Packaging in Sala Baganza, Italien. Als einer der ersten Technologieanbieter der Branche führte GEA eine LCA für seine Abfüllanlagen durch. Dazu ging GEA im Mai 2021 eine Kooperation mit der Universität Parma ein. Aufgabe war es, die Verbrauchsdaten für zwei der wichtigsten aseptischen Abfüllanlagen zu ermitteln und darüber hinaus auch die Arbeit an den eigenen Klimazielen voranzutreiben. „Wir wollten uns einen genauen Überblick verschaffen und den Fußabdruck in allen Details verstehen. Eine Lebenszyklusanalyse ist die umfassendste Methode zur Messung der Umweltauswirkungen“, erklärt Paolo Abelli, Leiter der Forschung und Entwicklung in dieser Disziplin bei GEA. Diese Analyse gemäß den wichtigsten internationalen Standards ist kein leichtes Unterfangen. Neben den Standards der Norm ISO 14040 sind auch die Vorschriften für jede Branche und für jeden Maschinentyp genauestens einzuhalten – „ein hochbürokratischer Prozess, eine Wissenschaft für sich,“ fügt Abelli hinzu. Deshalb nahm GEA anfangs die Hilfe externer Spezialisten in Anspruch.

Dr. Nadine Sterley, Chief Sustainability Officer, GEA

Dr. Nadine Sterley, Chief Sustainability Officer, GEA

„Lebenszyklusanalysen sind ein leistungsfähiges Instrument, um emissionsintensive Hot Spots im ökologischen Fußabdruck zu identifizieren, Nachhaltigkeitsaspekte in unserem Designprozess weiter zu priorisieren und für Kunden die nötige Transparenz zu schaffen.“ Dr. Nadine Sterley, Chief Sustainability Officer, GEA

Dr. Nadine Sterley, Chief Sustainability Officer, GEA

Mit CIPACK Grundlagen der Lebenszyklusanalyse lernen

GEA kontaktierte das Centro Interdipartimentale per il Packaging CIPACK der Universität Parma. Hier hat man sich auf Grundlagen- und angewandte Forschung im Bereich Verpackung und Abfüllung spezialisiert, insbesondere bei Pharma- und Nahrungsmittelanwendungen. Barbara Bricoli, Innovationsmanagerin für Filling and Packaging bei GEA: „Die Universität Parma hat uns in der Methodik der Datenerfassung für die Produktkategorie Getränke und Abfüllung sowie im Softwarehandling geschult.“ Für die Lebenszyklusanalyse nutzten die Forscher in Parma eine der führenden Impact-Assessment-Programme, das der Umweltdeklaration (Environmental Product Declaration, EPD) entspricht.

Bewertet wurden die weitverbreitesten aseptischen Blasabfüllanlagen von GEA: das aseptische Blow-Fill-System ABF 2.0, das Preforms trockensterilisiert, und der Abfüllblock ECOSpin2 Zero zur Nasssterilisation der Flaschen. „Hierbei handelt es sich um große, komplexe Maschinen mit zahlreichen Modulen wie Gebläse, Abfülleinheit, Ofen und noch vielen anderen Komponenten“, so Bricoli. „Da jedes Modul einzeln berücksichtigt und der Verbrauch jedes Teils berechnet wurde, erhielten wir eine sehr genaue Analyse.“

Ansatzpunkt: Energie- und Ressourcenverbrauch in der Nutzungsphase

Zur Ermittlung der Ökobilanz wurden bei beiden Maschinen die drei Hauptphasen des Lebenszyklus berücksichtigt:

  • Herstellung (einschließlich Rohstoffgewinnung)
  • Nutzung (Verbrauch während des Betriebs, der Reinigung und Sterilisation)
  • Entsorgung (nach einer Lebensdauer von 15 Jahren)

Für alle drei Phasen wurden die Umweltauswirkungen anhand von sieben Wirkungskategorien beurteilt1:

  • Versauerung: Versauerung von Wasser, Boden und Luft, die auf säurebildende Stoffe wie Salpetersäure, Schwefelsäure, Schwefeldioxid, Chlorwasserstoff, Schwefelsäure, Wasserstoff, Phosphorsäure usw. zurückzuführen ist, gemessen in kg SO2-Äquivalent.
  • Eutrophierung: übermäßiges Wachstum von pflanzlichen Organismen, die das ökologische Gleichgewicht der aquatischen Umwelt verändern, gemessen in kg PO4.
  • Globale Erwärmung: Anstieg der Durchschnittstemperatur auf der Erde aufgrund menschlicher Aktivitäten, die Treibhausgase wie CO2 in die Atmosphäre freisetzen. Diese Gase, die in der untersten Schicht der Atmosphäre eingeschlossen bleiben, wirken als Barriere für die von der Erdoberfläche reflektierte Sonnenstrahlung, deren Energie in Wärme umgewandelt wird. Dies führt zu einem Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur, gemessen in kg CO2-Äquivalent.
  • Photochemische Oxidation: Dieses Phänomen ist auf Stickstoffoxide und Kohlenwasserstoffe zurückzuführen, die durch die Wirkung der von der Sonneneinstrahlung ausgelösten photochemischen Reaktionen zur Oxidation von Stickstoffmonoxid (NO) bzw. Stickstoff (NO2), zur Bildung von Ozon (O3) und anderen chemischen Verbindungen mit toxischen Auswirkungen auf das Ökosystem und die menschliche Gesundheit führt, gemessen in kg NMVOC (Non-Methane Volatile Organic Compounds).
  • Abiotische Erschöpfung, Elemente: Abbau von Elementen, wie Metallen, gemessen in kg Sb-Äquivalent.
  • Abiotische Erschöpfung, fossile Brennstoffe: Abbau der fossilen Brennstoffe, gemessen in MJ.
  • Wasserknappheit: gemessen in m3-Äquivalent.
  • Abbau der Ozonschicht: Ausdünnung der Ozonschicht. Diese Kategorie ist fakultativ, wurde aber bei der Analyse berücksichtigt, gemessen in kg FCKW-11-Äquivalent.

„Wir haben die Primärdaten bereitgestellt, einschließlich einer Bestandsanalyse aller Maschinenkomponenten und -materialien sowie der Verbrauchsangaben während der Nutzungsphase“, erklärt Bricoli. „Bei der Berechnung der Auswirkungen am Ende des Lebenszyklus wurde ein Szenario basierend auf europäischen Entsorgungsdaten zugrunde gelegt.“

Durchschnittlich 95 Prozent der Umweltauswirkungen beider Maschinen sind über alle Wirkungskategorien hinweg auf den Energie- und Ressourcenverbrauch während der Produktnutzung zurückzuführen, so die Analyse. Lediglich in einer Wirkungskategorie – dem Abbau abiotischer Ressourcen – verursachte die Rohstoffgewinnungs- und Herstellungsphase mit 46 Prozent negative Auswirkungen von mehr als nur ein paar Prozentpunkten. „Angesichts der großen Menge an Stahl, die bei der Herstellung anfällt, war es schon überraschend, dass die Produktionsmaterialien im Schnitt weniger als vier Prozent der Gesamtbelastung ausmachen“, sagt Bricoli. „Das macht die Bewertung der Nutzungsphase umso interessanter, denn hier liegt für uns und unsere Kunden eindeutig das größte Potenzial für eine Minimierung der Umweltauswirkungen unserer Abfüllmaschinen.“

ABF impact during the life cycle (referred to the functional unit)

Durchschnittlich 95 Prozent der Umweltauswirkungen beider Maschinen sind über alle Wirkungskategorien hinweg auf den Energie- und Ressourcenverbrauch während der Produktnutzung zurückzuführen. Ergebnis der LCA von GEA Filling & Packaging

Ergebnis der LCA von GEA Filling & Packaging

Technische Änderungen senken CO₂e-Last um 30 Prozent

In der Nutzungsphase belasten drei Arten von Ressourcenverbrauch fast alle Wirkungskategorien am höchsten: elektrische Energie, Prozessdampf und Druckluft. Mit Blick auf die globale Erwärmung macht der Verbrauch in diesen drei Bereichen 76 Prozent der gesamten CO2e-Emissionen allein bei der ABF 2.0 aus. „In Anbetracht der Konzentration von GEA auf die Scope-3-Emissionen setzen wir vorrangig bei den CO2e-Emissionen an. Die Lebenszyklusanalyse zeigt recht eindeutig, welchen Weg wir hier einschlagen müssen“, sagt Bricoli.

Mithilfe der Analyse konnte GEA sofort drei Sofortmaßnahmen identifizieren und technisch umsetzen, um die Klimabilanz seiner Abfüllanlagen zu optimieren:

  • Durch die Rückgewinnung von zusätzlichem Kondensat ließ sich der Bedarf an Prozessdampf in der Nutzungsphase senken. Entsprechend fiel auch der Stromverbrauch während der Erhitzung geringer aus.
  • Luft aus dem Gebläse wird zurückgeführt, was die benötigte Menge an Druckluft und Strom weiter reduziert.
  • Steriles Wasser können Kunden nun mittels Mikrofiltration statt Ultraheißbehandlung (UHT) herstellen. Der zur Erhitzung des Wassers in der Maschine benötigte Strombedarf sinkt.

„Zusammengenommen ermöglichen diese drei Maßnahmen eine Reduzierung der CO2-Emissionen um 30 Prozent während der Produktnutzung“, so Paolo Abelli. „Auch wenn einige Kunden die praktische UHT-Behandlung auch weiterhin einer Mikrofiltration vorziehen werden: Entscheidend ist in diesem Fall jedoch die Transparenz, die wir mit der Lebenszyklusanalyse erreichen – und die unseren Kunden nun Entscheidungen auf der Grundlage klarer Fakten ermöglicht.“

Das Forschungs- und Entwicklungsteam von GEA wiederum kann mit dieser aussagekräftigen Ökobilanz die Entwicklung neuer Anlagen vorantreiben.

„Derzeit untersuchen wir weitere Optionen für eine Energierückgewinnung, zum Beispiel beim Blasofen oder bei anderen Heizprozessen. Außerdem arbeiten wir inzwischen mit anderen GEA-Einheiten daran, elektrische Energie in unseren Anlagen noch besser zurückzugewinnen. Diese klaren Fakten haben unseren Blick geschärft. Die Erkenntnisse der Lebenszyklusanalyse werden in unsere gemeinsame Arbeit bei GEA einfließen.“

ABF impact during production

„Diese erste Lebenszyklusanalyse hat uns gezielte Anpassungen an zwei unserer Abfüllanlagen mit erheblichen Verbesserungen beim CO2e-Wert ermöglicht. Aber das ist nur der Anfang.“Barbara Bricoli, Innovationsmanagerin, GEA Filling and Packaging

Barbara Bricoli, Innovationsmanagerin, GEA Filling and Packaging

Lerneffekt mit Langzeitwirkung

Nach dem Erstprojekt mit der Universität Parma verfügt GEA nun über das Tool und Know-how, um auch andere Produkte im Portfolio einer Lebenszyklusanalyse zu unterziehen. „Es gibt ein wachsendes Interesse von allen Seiten – von Endverbrauchern, GEA-Kunden, Lieferanten und natürlich von GEA selbst –, die Umweltauswirkungen von Herstellungsprozessen und Endprodukten zu quantifizieren. Schließlich möchten wir fundierte Entscheidungen darüber treffen, was wir kaufen oder, in unserem Fall, wie wir Anlagen so effizient und nachhaltig wie möglich bauen können“, erklärt Jannik Desel, Projektmanager Nachhaltigkeit bei GEA. „Bisher konnten wir nur grobe Schätzungen zum ökologischen Fußabdruck unserer Maschinen abgeben. Doch jetzt haben wir bei GEA die Kompetenz für eigene Berechnungen der Ökobilanz. Von nun an können wir detaillierte Analysen durchführen und präzise, belastbare Zahlen vorlegen.“

Desel kann für jedes Produkt eine grafische Übersicht der Emissionen erstellen und umgehend die größten Verursacher der globalen Erwärmung – aber auch für andere Wirkungskategorien – identifizieren sowie Maßnahmen zur Verbesserung der Umweltleistung priorisieren. Wie seine Kollegin Bricoli aus dem F&E-Team im Abfüllbereich betont auch Desel, dass dies erst der Anfang ist: „Was den ökologischen Fußabdruck der Lieferanten mit klaren und präzisen Werten betrifft, so steckt die Sache noch in den Kinderschuhen. Wir haben uns bis jetzt sehr stark an den Durchschnittswerten der Branche orientiert. Das soll sich ändern, und zwar sehr schnell.“

So arbeitet GEA bereits mit einigen Lieferanten an einer genaueren Ökobilanz ihrer Anlagen. Dabei hat sich die neue Kompetenz zur Durchführung eigener Lebenszyklusanalysen schon jetzt als echter Vorteil erwiesen. „Unternehmen entlang der gesamten Lieferkette werden aktiv, um ihren ökologischen Fußabdruck zu messen und zu reduzieren. Noch handelt es sich jedoch für viele um Neuland; es fehlt sowohl an Erfahrung als auch an einer klaren Strategie“, so Desel. 

„Mit unserer LCA-Kompetenz können wir den Kunden und Lieferanten mit Rat und Tat zur Seite stehen. Wir möchten sie bei der Entwicklung umweltfreundlicherer Produkte über den gesamten Lebenszyklus hinweg unterstützen.“ Jannik Desel, Projektmanager Nachhaltigkeit, GEA

Jannik Desel, Projektmanager Nachhaltigkeit, GEA

LCA als fester Bestandteil des Produktentwicklungsprozesses bei GEA

Diese Kompetenz gilt es, nun im gesamten Unternehmen zu verankern. Unter der Leitung von Nadine Sterley, Chief Sustainability Officer von GEA, treibt Desel die Bestrebungen voran, um die Ökobilanz auf Basis von LCA künftig systematisch in die Entwicklung aller neuen Produkte bei GEA zu integrieren. „Unsere Kollegen in Italien haben den wichtigen ersten Schritt zur Etablierung der Lebenszyklusanalyse bei GEA gemacht“, so Sterley. „Wie ihre Ergebnisse zeigen, sind LCA ein leistungsfähiges Instrument, um emissionsintensive Hot Spots im ökologischen Fußabdruck zu identifizieren, Nachhaltigkeitsaspekte in unserem Designprozess weiter zu priorisieren und für Kunden die nötige Transparenz zu schaffen.“

1Stefanini, Roberta; Bricoli, Barbara; Vignali, Giuseppe (2022, Vol. 10): Manufacturing, use phase or final disposal: where to focus the efforts to reduce the environmental impact of a food machine? Production & Manufacturing Research.

GEA Aseptic Blow Fill System ABF 2.0

Superheld aseptische Abfüllung

GEAs Lebenszyklusanalyse absolvierten die zwei gängigsten Abfüllblöcke: GEA ABF 2.0 sterilisiert die Preforms vor dem aseptischen Blasprozess. Dadurch werden weniger Chemikalien zur Dekontamination gebraucht und im Trockenverfahren gänzlich ohne Wasser gearbeitet. Der ECOSpin2 Zero hingegen nutzt ein Nassverfahren mit Peressigsäure und verwendet für Umgebung und Verpackungsmaterial dieselbe PES-Lösung im Kreislauf. Er ermöglicht eine sehr hohe Anlagenverfügbarkeit von 165 Stunden ohne zwischengeschaltete SOP-Zyklen während der Produktion. Vollständig frei von Perioxidemissionen und mit einem niedrigen PES-, Wasser- und Energieverbrauch erfüllt der ECOSpin2 Zero den Nachhaltigkeitsanspruch des heutigen Markts.
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