15. Juli 2024
Rührei aus bioidentischem Eiprotein / Onego Bio
Der erste kommerzielle Eiersatz kam 2013 in den USA auf den Markt. Seitdem haben Asien, Europa und Länder im Nahen Osten ihre eigenen Eiersatzprodukte auf den Markt gebracht. Heute gibt es drei Wege zur Herstellung von Eialternativen:
Bei der Präzisionsfermentation wird die DNA von Mikroorganismen verändert. Als eine Art Minifabriken produzieren sie dadurch bioidentische Proteine, die der Funktionalität, dem Geschmack, dem Nährwert und der Anwendungsvielfalt des ursprünglichen Eiproteins entsprechen. „Die Präzisionsfermentation ermöglicht es den Herstellern, Geschmack, Textur und andere funktionelle Eigenschaften vollständig zu kontrollieren und anzupassen. Diese sind essenziell für ein positives Konsumerlebnis“, erklärt Frederieke Reiners, Vice President New Food bei GEA. Dasselbe Verfahren gewinnt übrigens auch Humaninsulin für Diabetiker und wird ebenso für Milchalternativen und Milchproteine eingesetzt. Auch dort verhalten sich die alternativ gewonnenen Proteine sehr ähnlich zu den klassischen Gegenstücken – und schmecken. Das erste durch Präzisionsfermentation hergestellte flüssige Eiprodukt, das auch pflanzliche Inhaltsstoffe enthält, soll 2024 in der Gastronomie erhältlich sein. Ein weiteres, rein durch Präzisionsfermentation hergestelltes, tierfreies Eiweißpulver wird voraussichtlich 2025 für den B2B-Markt verfügbar sein.
Während Vollei bei den Verbrauchern sehr beliebt ist, wird Eiklar in der industriellen Lebensmittelproduktion in großem Umfang verwendet, zum Beispiel in Back- und Teigwaren und Speiseeis, in Nahrungsergänzungsmitteln und Fleischalternativen. Zu den bemerkenswerten Produktinnovationen, die bisher auf den Markt gebracht wurden, gehören ein Eiklarersatz aus recycelter Bierhefe als Bindemittel für pflanzlichen Fleischersatz und ein flüssiges Produkt, das sowohl aus präzisionsfermentierten Proteinen als auch aus pflanzlichen Zutaten hergestellt wird. Echtes Eiklar, oder Eiweiß, bindet Lebensmittel und gibt Backwaren ihre Struktur. Pflanzliche Eiklaralternativen allein können diese Aufgaben nicht erfüllen, da Pflanzenextrakte diese wichtigen Eigenschaften, vor allem fürs Backen, nicht haben.
Frederieke Reiners
Vice President of New Food, GEA
Zur Validierung ihrer Konzepte im Pilotmaßstab wenden sich jene Produzenten von Lebensmitteln und Zutaten an GEA, die ihre Skalierung auf sichere Füße stellen wollen. Diesem Zweck dient das neue Technologiezentrum von GEA in Hildesheim, Deutschland. Eine ähnliche Anlage wird 2025 für Kunden in Janesville, Wisconsin, zur Verfügung stehen. GEA simuliert zudem Bioreaktor-Settings mittels eines digitalen Zwillings, um die Parameter für die industrielle Produktion vor dem Bau der Fermenter zu bestimmen. „Zellkulturen zu validieren und die Wachstumsrate vorab zu bestimmen, ist für jedes Unternehmen erfolgsentscheidend, wenn es mittels Präzisionsfermentation alternative Proteine herstellen möchte“, sagt Reiners. „Unser Service und Fachwissen helfen Kunden, das Risiko und die Höhe ihrer Investitionen zu minimieren. Die ersten Produktionsmeilensteine erreichen sie, ohne eigenen Pilotanlagen finanzieren zu müssen.“
Wie stehen die Verbraucher trotz all dieser Innovationen zum Thema Eialternativen? In seinem State of the Industry Report zu pflanzlichen Lebensmitteln von 2023 stellt das Good Food Institute (GFI) fest, dass aufstrebende Kategorien wie Ei auf pflanzlicher Basis im Jahr 2023 Umsatzrückgänge verzeichneten. Im Vorjahr 2022 jedoch stieg der Absatz um 25 Prozent, was darauf hindeutet, dass die Inflation eine Rolle bei der geringeren Summe 2023 spielte. Langfristig wird der Markt für Eisubstitute laut Future Market Insights von 2023 bis 2033 eine durchschnittliche jährliche Wachstumsrate (CAGR) von 17,5 Prozent erreichen.
Die Bereitschaft und das Interesse der Verbraucher an Eialternativen durch Präzisionsfermentation sind vielversprechend. Eine 2023 in der Fachzeitschrift Frontiers in Sustainable Food Systems veröffentlichte Studie von Thomas et. al. ergab, dass mehr als die Hälfte der Befragten aus den USA, Deutschland und Singapur willens wären, präzisionsfermentierte Eier zu probieren. Die Gründe sind unterschiedlich: Der Tierschutz und der verringerte Einsatz von Antibiotika werden in Deutschland häufiger genannt, während gesundheitliche Aspekte, wie zum Bespiel das Fehlen von Cholesterin in präzisionsfermentierten Eiprodukten für die Menschen aus Singapur und den USA wichtiger sind.
Die GFI und Accenture führten 2023 eine ähnliche Umfrage in Frankreich, Deutschland, Spanien, dem Vereinigten Königreich und den USA durch. Die Ergebnisse, veröffentlicht im GFI-Bericht „State of the Industry 2023“ über Fermentation, sind vergleichbar: Auch hier wären rund 50 Prozent der Befragten bereit, präzisionsfermentierte Eier zu probieren. Jedoch sei entscheidend, wie genau die Produkte und Produktionsprozesse beschrieben würden, heißt es dort. Wirtsmikroorganismen und daraus erzeugte Zutaten – die Interviewten möchten diese Prozesse mit nachvollziehbaren Beispielen erklärt bekommen, dann seien sie offen für präzisionsfermentierte Produkte. Sie wollen überzeugt werden, dass das Endprodukt das gleiche ist wie das herkömmliche Produkt. Allerdings zeigen die Ergebnisse, dass Präzisionsfermentation nach wie vor recht unbekannt ist.
Die wachsende Nachfrage nach Eieralternativen kann einen wichtigen Beitrag zur Verringerung des ökologischen Fußabdrucks der Lebensmittelproduktion leisten und gleichzeitig Bedenken hinsichtlich Gesundheit, Lebensmittelsicherheit und Allergien ausräumen. Präzisionsfermentation gibt uns die Chance, unsere globalen Versorgungsketten zu diversifizieren und widerstandsfähiger zu machen. Im Fall der Eiproduktion gilt es, den nächsten Schritt zu gehen und schmackhafte, nahrhafte Alternativen im großen Maßstab – zu den richtigen Preisen – zu entwickeln. Hier kommt GEA ins Spiel: Durch seine Testeinrichtungen und sein Anwendungswissen für Lebensmittelprozesse hilft GEA Start-ups und Herstellern, diese nachhaltigen Produkte schneller auf den Markt zu bringen.
Zuerst müssen die Länder jedoch regulatorische Hürden abbauen, um sicherzustellen, dass diese Produkte auf den Tisch kommen. Auch die Industrie muss eindeutig mehr tun: Alternative Proteinverfahren und -produkte brauchen viel mehr Aufklärung und viel weniger Mystik. Dann kann es gelingen, Verbraucher auf diese Reise mitzunehmen.