02 Dec 2022
Viele finden sie gruselig, eklig oder abstoßend. Doch wenn Jörg Heidhues, Stefan Kirchner und Dirk Sindermann Insekten begegnen, sehen der Prozessingenieur, der Sales Manager und der Leiter Prozesstechnologie Nachwachsende Rohstoffe vor allem eins: Möglichkeiten. Die Möglichkeit, auf umweltfreundliche Art hochwertiges Protein zu produzieren. Die Möglichkeit, Nebenströme der Lebensmittelproduktion in einen nachhaltigen Kreislauf einzubinden. Und die Möglichkeit, die Welternährung langfristig klimaneutral zu sichern.
Schaut man sich die ernährungsphysiologischen, ökonomischen und ökologischen Fakten an, wird schnell klar, warum: „Insekten sind vitamin- und nährstoffreich und haben einen hohen Proteingehalt“, erklärt Stefan Kirchner. „Gleichzeitig ist ihre Aufzucht kosten- und ressourcenschonend, denn sie haben einen kurzen Entwicklungszyklus, ein schnelles Populationswachstum und eine hohe Gewichtszunahme pro Tag, bei gleichzeitig hoher Umwandlung von Futtermittel in Körpergewicht. Dabei können bis zu 80 % dieses Körpergewichts zur Ernährung genutzt werden. Zum Vergleich: Bei Hühnern sind es 55 % und bei Rindern 40 %.“ „Ökologisch bedeutet das weniger Platzbedarf, geringeren Wasserverbrauch und einen kleineren CO2-Footprint“, ergänzt Jörg Heidhues.
- Stefan Kirchner
„Angesichts unserer derzeitigen Pattsituation – die stetig wachsende Weltbevölkerung hat einen immer höheren Proteinbedarf, den wir mit unseren herkömmlichen Proteinlieferanten, also Nutztieren, nicht mehr decken können, ohne Umwelt und Klima irreparabel zu schädigen – brauchen wir dringend nachhaltige Alternativen“, führt Stefan Kirchner aus. Jörg Heidhues fügt hinzu: „Außerdem bieten uns Insekten die Möglichkeit einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft. Wir können nämlich die Nebenströme aus der Lebensmittelproduktion für die Aufzucht der Insekten nutzen.“
Insekten stellen dabei auch im Feedbereich eine nachhaltige Alternative dar: „Insekten sind ein sehr artgerechtes Futtermittel – in der Natur frisst ein Huhn ja schließlich auch Insekten“, betont Dirk Sindermann. Wie eine nachhaltige Zero-Waste-Verzahnung funktionieren kann, erklärt der Prozessingenieur Jörg Heidhues an einem Beispiel: „Wenn ein Kunde bereits eine Anlage mit Legehennen hat, kann er ein paar der bestehenden Ställe für eine Insektenanlage umwidmen, dazu eine Biogasanlage zur Energiegewinnung bauen, in einem weiteren Schritt noch eine Fischzucht und hat dann einen geschlossenen, sich selbst erhaltenden Kreislauf, praktisch ohne Abfälle und klimaneutral.“
„Das führt bei uns natürlich auch zu kreativen Überlegungen, welche Synergien für unsere bestehenden Kunden – die Molkereien, Brauereien und Ölmühlen mit ihren verschiedensten Nebenströmen – entstehen können“, schwärmt Dirk Sindermann.
- Dirk Sindermann
„Die Zucht von Insekten im großtechnischen Maßstab begann vor circa 30 Jahren. Ausgangspunkt waren vor allem Universitäten, die Insekten als biologisches Pflanzenschutzmittel wiederentdeckten und in Gewächshäusern einsetzten – Marienkäfer, deren Leibspeise Blattläuse sind, zum Beispiel. Aber Zucht ist etwas anderes als Fraktionierung, also die Nutzbarmachung zu Lipiden und Protein. Genau das ist unser Fachgebiet, sodass wir quasi unweigerlich ins Spiel kamen. Wir kümmern uns um alles, was nach der Aufzucht der Insekten passieren muss, damit am Ende das Insektenprotein für den Nahrungs- oder Futtermittelbereich einsatzbereit ist: von der Devitalisation der Larven über das Zerkleinern und Aufheizen, die eigentliche Abtrennung des Proteins im Dekanter mit anschließender Eindampfung und Trocknung, bis hin zur Polierung der Lipidphase. Dabei sind einige Herausforderungen zu meistern. So neigen Insektenproteine bei der Trocknung zum Beispiel zur Oxidation, was wiederum Stabilität und Geschmack des Endprodukts beeinflusst. Unsere Prozesslinie garantiert hier eine besonders effiziente Abtrennung, sodass deutlich weniger Oxidation stattfindet“, berichtet Stefan Kirchner.
Der Eindampfer wiederum hilft beim Energiesparen. „Brauche ich beim Trockner circa 1,3–1,8 Tonnen Dampf, um eine Tonne Wasser zu verdampfen, wird im Vakuumverdampfer die eigene Kondensationswärme als Energiequelle verwendet. So können rund 50 % des gesamten Wassers ohne zusätzliche thermische Energie vor dem Trockner entfernt werden“, erklärt Stefan Kirchner weiter, „somit rechnet sich diese Stufe nicht nur angesichts aktueller Energiekosten schnell.“ „Wir konstruieren und bauen Zentrifugen seit 130 Jahren. Seit über 60 Jahren arbeiten wir mit allen möglichen Varietäten der Proteine“, erklärt Dirk Sindermann, „aber wir haben nicht einfach ‚nur‘ jahrzehntelanges Know-how. Uns alle bei GEA eint, dass wir unsere Expertise einsetzen, um wirklich maßgeschneiderte Lösungen für unsere Kunden zu finden.“
„Das ist“, führt Dirk Sindermann aus, „als wenn man eine Küche plant. Die Küche muss zu den Bedürfnissen des Kunden passen: zu seinen Rezepten und seinen Endprodukten. Und zwar genau passen – der beste Hochleistungs-State-of-the-Art-Ofen nützt ihm gar nichts, wenn sein Hauptgeschäft darin besteht, Smoothies zu machen. Das ist unsere Stärke: Wir wissen, was vor, während und nach einem Prozess passieren muss. Deshalb setzen wir auch bei Insektenprotein auf die Nassextraktion mit zentrifugaler Trenntechnik, denn diese hat gegenüber dem alternativen sogenannten Trockenverfahren nicht nur die Vorteile der gerade genannten niedrigen Oxidationsrate, sondern ist gleichzeitig energiesparender und sorgt insgesamt für eine bessere Produktqualität.“
- Jörg Heidhues
Jörg Heidhues fährt fort: „Als Erstes gehen wir immer ins Labor: Wie zerkleinern wir dieses spezielle Insekt am besten? Haben Verweilzeit und/oder pH-Wert einen Einfluss? Deshalb fördern wir auch akademische Arbeiten, wie Bachelor oder Masterarbeiten, die sich mit Weiterentwicklung und Grundlagenforschung beschäftigen, bei uns im Labor. So haben wir zum Beispiel herausgefunden, dass Insekten nicht mehr so gut zu verarbeiten sind, wenn sie einmal eingefroren wurden, und wie wir durch die anfängliche Devitalisierung den Browning-Effekt vermeiden, also das schnelle Braunwerden des Endprodukts durch Oxidation – wie man das auch von angeschnittenen Äpfeln kennt. Und da wir bei GEA immer schon den nächsten, übernächsten und überübernächsten Schritt mitdenken“, ergänzt Jörg Heidhues, „entwickeln wir jetzt schon Konzepte für das, was kommen wird: die Gewinnung von Proteinisolaten mit Proteinwerten von bis zu 90 % bei gleichzeitig höchster biologischer Verfügbarkeit.“
„Und zwar“, so Dirk Sindermann, „in Form eines neutralen Pulvers, mit höchster Funktionalität bei geschmacklicher Neutralität, ressourcenschonend, klimaneutral und ökonomisch effizient – kurz: alles, was man sich von einem Protein wünscht.“