24 Oct 2023
Beton hat sich in den vergangenen Jahrtausenden als nahezu perfekter Baustoff bewährt und ist in unserer gebauten Umwelt praktisch allgegenwärtig – vom Pantheon in Rom bis zu den höchsten Wolkenkratzern der Welt. Mit Ausnahme von Wasser gibt es auf der Erde keine andere Substanz, die häufiger zum Einsatz kommt. Deshalb ist der physische Fußabdruck von Beton gewaltig. Leider gilt das auch für den CO2-Fußabdruck. Dies liegt vor allem am Zement, dem Bindemittel, das Sand und Kies zusammenhält und den Beton hart macht. Die für die Herstellung von Zement erforderlichen hohen Temperaturen und chemischen Prozesse führen zu jährlichen Emissionen von rund vier Milliarden Tonnen CO2 – das sind rund acht Prozent des gesamten weltweiten CO2-Ausstoßes. Wäre die Zementproduktion ein Land, wäre sie der drittgrößte Emittent hinter China und den USA.
Seit 1980 hat sich die Zementproduktion fast verfünffacht – Tendenz steigend. Quellen: U.S. Geological Survey (USGS), VDZ Verein Deutscher Zementwerke e.V.
Die ökologischen Auswirkungen im Visier, setzt sich die Global Cement and Concrete Association (GCCA) mit dem Programm „2050 Climate Ambition“ das große Ziel, Beton bis 2050 CO2-neutral zu machen. Dafür will die GCCA an vielen Punkten gleichzeitig ansetzen: mehr Energieeffizienz schaffen, alternative Brennstoffe einsetzen, die Dekarbonisierung von Roh- und Brennstoffen vorantreiben, innovative Materialien und Zementwerke effizienter konstruieren, um nur einige zu nennen. Der größte Hebel im Klimaneutralitätsprogram der GCCA ist aber die Abscheidung, Nutzung und Speicherung von CO2, kurz CCUS (für Carbon Capture, Utilization and Storage). Dabei wird CO2 aus dem Abgas des Zementwerks entnommen und entweder in industriellen Prozessen wiederverwendet oder tief in der Erde eingelagert, wo es der Atmosphäre nicht mehr schaden kann. [1]
Neu ist eine solche CO2-Abscheidung nicht; das ist die gute Nachricht für die Zementindustrie und andere Branchen, in denen sich CO2 nur schwer reduzieren oder gar vermeiden lässt. Die älteste und am weitesten verbreitete Methode zur CO2-Abscheidung ist die Aminwäsche. Sie kommt schon seit Jahrzehnten in der Erdöl- und Erdgasindustrie zum Einsatz. Dennoch ist es nach wie vor teuer, ein Zementwerk mit einer Anlage zur CO2-Abscheidung nachzurüsten. Leider gibt es für Zementhersteller keine Standardlösungen – noch nicht. Das liegt vor allem daran, dass es unzählige Variablen zu berücksichtigen gilt: Wie sieht die genaue Zusammensetzung des Rauchgases eines Zementwerks aus? Besteht zusätzlicher Energiebedarf, und wenn ja, in welchem Umfang? Wie stabil ist die Aminlösung? Welche Auswirkungen hat die hohe Staubentwicklung auf die Langlebigkeit der Anlage? Welche Möglichkeiten bestehen für die Wiederverwendung des abgeschiedenen CO2?
Regulierungsbehörden und andere Stakeholder setzen die großen Emittenten zunehmend unter Druck, ihr CO2 von der Atmosphäre fernzuhalten. Noch steckt der Markt für abgeschiedenes CO2 in den Kinderschuhen. Deshalb müssen Unternehmen in einem unwägbaren Umfeld mit hohen Investitionen in Vorleistung gehen.
Mehr als ein Jahrhundert Erfahrung aus Konzeption und Installation von Abgasreinigungsanlagen und Systemen zur Emissionskontrolle stecken nun in GEAs Portfolio zur CO2-Abscheidung. Die Carbon-Capture-Lösungen gewinnen Abwärme zurück, behandeln Gas vor, nutzen modernste Technologien zur CO2-Abscheidung und bereiten dessen Nutzung und Speicherung vor. GEA kann der Zementindustrie und anderen Branchen, die CO2 nur schwer reduzieren können, einen schnellen und wirtschaftlichen Einstieg in das Thema Carbon Capturing ermöglichen. Das bestätigt auch Dr. Felix Ortloff, Senior Director GEA Carbon Capture Solutions: „Wir haben ein standardisiertes Produktportfolio von CO2-Lösungen entwickelt, mit denen Anlagenbetreiber sofort CO2 entfernen können. Abgasreinigung und Abwärmerückgewinnung kennen wir aus dem FF. Nun können wir die gesamte Bandbreite an Technologien zur CO2-Abscheidung und -Nutzung anbieten, für die Kunden maßgeschneidert, und zu überschaubaren Kosten.“
- Dr. Felix Ortloff, Senior Director, Carbon Capture Solutions, GEA
GEA hat vier standardisierte Anlagengrößen entwickelt, deren Dimensionierung vor allem von der Abwärme der CO2-emittierenden Produktionsprozesse abhing. „Wir konzentrieren uns zunächst auf die Effizienz im Kontext der Gesamtanlage. Deshalb möchten wir die Wärmerückgewinnung maximal ausnutzen“, sagt Ortloff. „Für unsere Kunden hat das den Vorteil, dass sie mit einem geringen oder sogar ohne zusätzlichen Energiebedarf anfangen können, ihr CO2 abzuscheiden. In einem großen Zementwerk mit hohen CO2-Emissionen ist die Abwärme ein guter Ansatzpunkt, der im Durchschnitt eine wärmeneutrale Reduzierung der Emissionen um 20 Prozent ermöglicht. In anderen Branchen, etwa in der Glasindustrie, ist noch mehr möglich. Wenn die Lösung erst einmal in Betrieb ist und wie gewünscht funktioniert, lässt sich jederzeit zusätzliche Kapazität installieren, um mehr CO2 abzuscheiden.“
Bei den PHOENIX Zementwerken im westfälischen Beckum, Deutschland, unterziehen Ortloff und sein Team den Carbon-Capture-Piloten seit Mai 2023 einem intensiven Praxistest. „Nachhaltiges Wirtschaften und Klimaschutz sind Teil unserer Unternehmensstrategie“, sagt Geschäftsführer Marcel Gustav Krogbeumker. „Bei einer Produktionskapazität von rund 500.000 Tonnen Zement im Jahr und einer rechnerisch täglichen Emission von 1.000 Tonnen CO2 haben wir eine Verantwortung, unseren Kohlenstoffausstoß zu minimieren. Wir sind stolz auf unser CCS-Projekt mit GEA und nutzen die Pilotanlage an unserem Standort Beckum, um Carbon Capture für uns auszuloten. Industrie, Politik und Wirtschaftsverbände interessieren sich bereits sehr für das Projekt“, so Krogbeumker. Er ergänzt: „Wir halten Carbon Capture für eine hochspannende Technologie. Dank der jahrzehntelangen Erfahrung von GEA in der Abgasreinigung bin ich sehr optimistisch, dass wir gemeinsam eine Lösung entwickeln, mit der wir Emissionen deutlich verringern können.“
- Marcel Gustav Krogbeumker, Geschäftsführer PHOENIX Zementwerke
Die Pilotanlage hilft GEA und den PHOENIX Zementwerken, die Emissionen noch besser zu analysieren – insbesondere die schädlichen Spurenelemente. Während der CO2-Abscheidungsphase sind auch wichtige Daten zur Stabilität des Aminlösungssystems zu erfassen. Bislang hat der Pilottest die von GEA angestrebte CO2-Entnahme-Effizienz von 90 Prozent erreicht, so Ortloff. „Technisch wäre sogar eine noch höhere Abscheidungsrate auf rund 95 Prozent möglich. Dies würde jedoch den Energiebedarf erhöhen und die Kosteneffizienz senken. Für uns sind die 90 Prozent die erstrebenswerte Zielgröße, die aufgrund der Energie-Kosten-Relation auch finanziell sinnvoll ist,“ sagt der GEA-Ingenieur.
Praxistest für Carbon Capture bei den PHOENIX Zementwerken im westfälischen Beckum, Deutschland. Im Gespräch: Marcel Gustav Krogbeumker, Geschäftsführer PHOENIX Zementwerke (links), Dr. Felix Ortloff, Senior Director, Carbon Capture Solutions, GEA (rechts). Bild: GEA/Tim Luhman
Nächste Schritte für PHOENIX: „Wir werden alle Daten auswerten und dann mit GEA über ein mögliches Scale-up der Anlage entscheiden“, kündigt Krogbeumker an. Er stellt sich die Entwicklung eines Standortkonzepts gemeinsam mit GEA vor. „Die Kernfrage ist: Was wollen wir? Wollen wir Kohlendioxid endlagern, zum Beispiel in alten Ölfeldern und -schächten, etwa in der Nordsee? Oder wollen wir das abgeschiedene CO2 aufbereiten und für eine andere Nutzung zur Verfügung stellen? Und wenn wir Letzteres machen: Wie können wir die Pilotanlage entsprechend erweitern, um das CO2 zu reinigen gemäß der hohen Chemie- und Lebensmittelstandards? Wo und in welchen Industrien gibt es mögliche Abnehmer für das Kohlendioxid? Welche Infrastruktur zum Transport müssen wir bereitstellen, also Pipelines, eine Wiederbelebung der Gleisanlagen zum Transport mit der Bahn oder brauchen wir LKW-Transport? Es sind spannende Jahre, die auf uns zukommen. Mit GEA können wir viel erreichen“, meint Krogbeumker.
- Marcel Gustav Krogbeumker, Geschäftsführer PHOENIX Zementwerke
Wie sich CO2 nutzen und speichern lässt, ist der entscheidende letzte Schritt bei der CO2-Abscheidungskette. Aktuell konzentriert sich GEA bei der CO2-Nutzung auf zwei Bereiche: In der Brauwirtschaft entnimmt GEA dem Fermentationsprozess CO2, verflüssigt es und extrahiert dann Sauerstoff, damit das CO2 für die Getränkeherstellung wiederverwendet werden kann. Außerdem produziert das Unternehmen aus CO2 Karbonate wie Natriumhydrogenkarbonat, die in der Lebensmittel- und Pharmaindustrie zum Einsatz kommen. „Jeder Kunde hat andere Möglichkeiten, das entnommene CO2 zu nutzen“, erklärt Ortloff. „Wir betrachten jeden Fall individuell und prüfen, ob ein potenzieller CO2-Verwerter in der Nähe ist und welche Anforderungen dieses Unternehmen in Bezug auf Reinheit, Aggregatzustand, Druck und Temperatur des CO2 hat. Dann können wir das Gas so vorbereiten, dass es diese Anforderungen erfüllt.“
Mittelfristig sieht Ortloff auch in Methanol eine interessante Möglichkeit, CO2 zu verwenden. Es kann dann entweder direkt als Brennstoff, zu anderen Brennstoffkomponenten weiterverarbeitet oder als Grundbaustein in der chemischen Industrie eingesetzt werden. Ortloff macht aber auch deutlich: Auch wenn sich der Markt für CO2-Nutzung stark entwickelt, dürften die abzuscheidenden CO2-Mengen deutlich größer sein als die Mengen, die CCU zugeführt werden können. Dies bedeutet, dass Lösungen zur Kohlenstoffabscheidung und -speicherung (Carbon Capture Storage, CCS) künftig entscheidend sein werden, um das Versprechen erfüllen zu können, die Treibhausgase zu reduzieren und der globalen Erwärmung entgegenzuwirken.
Auch die Speicherung von CO2 ist eine bewährte Technologie aus der Erdöl- und Erdgasindustrie, die wir in größerem Umfang einsetzen müssen. Tatsächlich bauen Regierungen und Industrie ihre CCS-Kapazitäten in beeindruckendem Tempo aus. Ende 2022 waren laut Global CCS Institute weltweit 30 CCS-Anlagen in Betrieb, weitere elf im Bau und 153 in der Entwicklung. Damit ergibt sich eine CCS-Kapazität von insgesamt 244 Millionen Tonnen pro Jahr – 44 Prozent mehr als im Vorjahr.
Nordamerika liegt dank einer erheblichen steuerlichen Förderung von entsprechenden Investitionen in Kanada und staatlicher Finanzierung über den Inflation Reduction Act 2022 in den USA bei der Entwicklung und beim Einsatz von CCS vorn, dicht gefolgt von Europa. [2] Der EU Innovation Fund will bis 2030 in ganz Europa rund 38 Milliarden Euro in Cleantech investieren und unterstützt bereits große CCS-Projekte in mehreren Branchen, vor allem in der Zementindustrie. China als weltweit größter Zementhersteller liegt bei CCUS-Projekten zwar noch zurück, arbeitet inzwischen aber verstärkt an der Entwicklung entsprechender Technologien. Im Juli 2023 kündigte Peking den Start seines bislang größten CCUS-Projekts für die Zementindustrie an. [3]
- Dr. Felix Ortloff, Senior Director, Carbon Capture Solutions, GEA
So wie alternative Antriebstechnologien eine neue Strom- und Wasserstoffinfrastruktur anregen, erfordern auch die Nutzung und Speicherung von CO2 eine spezielle Infrastruktur, um das entnommene CO2 vom industriellen Emittenten zu den Nutzungs- und Speicherstätten zu transportieren. OGE, einer der führenden Fernleitungsnetzbetreiber für Gas in Europa, und das belgische Wasserstoffunternehmen Tree Energy Solutions bauen zum Beispiel gemeinsam eine 1.000 Kilometer lange Pipeline, die rund 18 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr transportieren kann. In diesem Fall dient das CO2 als Träger von erneuerbarem Wasserstoff aus Solar-, Wind- und Wasserkraftanlagen in ganz Europa. Die Pipeline soll grünen Wasserstoff nach Wilhelmshaven transportieren, der neuen Drehscheibe für saubere Energie. [4] „Pipeline- oder Speicheranlagen stellen für den Transport und die Speicherung von CO2 besondere Anforderungen an das Gas“, so Ortloff. „Da wir die Technologie für Abscheidung, Reinigung und Verflüssigung unter einem Dach haben, ist es für unsere Kunden einfacher, diese Anforderungen aus einer Hand zu erfüllen.“
Die Dekarbonisierung der Zementindustrie erfordert neue Nutzungsmöglichkeiten für CO2 und den Aufbau einer Kohlendioxid-Infrastruktur.
Die Carbon-Capture-Technologie, die im Kampf gegen die globale Erwärmung aktuell hochgefahren wird, bedient sich weitgehend der etablierten Technologie und Infrastruktur der Erdöl- und Erdgasindustrie. Dort wurde die CCUS-Technologie auf der Jagd nach sehr profitablen fossilen Brennstoffen im Laufe der Jahre immer weiter verbessert – als Mittel zum Zweck. Heute ist die Abscheidung und Speicherung des inerten CO2 im Fokus. Vieles deutet darauf hin, dass die Abscheidung von CO2 künftig sowohl ökologisch als auch ökonomisch sinnvoll sein wird. „Ein stabiler Markt rund um den Globus für abgeschiedenes CO2 und Zementwerke, die eine CO2-Entnahmequote von 90 Prozent erreichen, ist doch ein spannendes Szenario“, findet Ortloff. „Aktuell zwingen Regulierungsbehörden und andere Stakeholder die Unternehmen, in diese ersten Schritte auf dem Weg in eine neue CO2-Wirtschaft zu investieren. GEA ist gut aufgestellt, um bei der Beschleunigung dieses Umbaus zu helfen.“
24 Oct 2023
Beton hat sich in den vergangenen Jahrtausenden als nahezu perfekter Baustoff bewährt und ist in unserer gebauten Umwelt praktisch allgegenwärtig – vom Pantheon in Rom bis zu den höchsten Wolkenkratzern der Welt. Mit Ausnahme von Wasser gibt es auf der Erde keine andere Substanz, die häufiger zum Einsatz kommt. Deshalb ist der physische Fußabdruck von Beton gewaltig. Leider gilt das auch für den CO2-Fußabdruck. Dies liegt vor allem am Zement, dem Bindemittel, das Sand und Kies zusammenhält und den Beton hart macht. Die für die Herstellung von Zement erforderlichen hohen Temperaturen und chemischen Prozesse führen zu jährlichen Emissionen von rund vier Milliarden Tonnen CO2 – das sind rund acht Prozent des gesamten weltweiten CO2-Ausstoßes. Wäre die Zementproduktion ein Land, wäre sie der drittgrößte Emittent hinter China und den USA.
Seit 1980 hat sich die Zementproduktion fast verfünffacht – Tendenz steigend. Quellen: U.S. Geological Survey (USGS), VDZ Verein Deutscher Zementwerke e.V.
Die ökologischen Auswirkungen im Visier, setzt sich die Global Cement and Concrete Association (GCCA) mit dem Programm „2050 Climate Ambition“ das große Ziel, Beton bis 2050 CO2-neutral zu machen. Dafür will die GCCA an vielen Punkten gleichzeitig ansetzen: mehr Energieeffizienz schaffen, alternative Brennstoffe einsetzen, die Dekarbonisierung von Roh- und Brennstoffen vorantreiben, innovative Materialien und Zementwerke effizienter konstruieren, um nur einige zu nennen. Der größte Hebel im Klimaneutralitätsprogram der GCCA ist aber die Abscheidung, Nutzung und Speicherung von CO2, kurz CCUS (für Carbon Capture, Utilization and Storage). Dabei wird CO2 aus dem Abgas des Zementwerks entnommen und entweder in industriellen Prozessen wiederverwendet oder tief in der Erde eingelagert, wo es der Atmosphäre nicht mehr schaden kann. [1]
Neu ist eine solche CO2-Abscheidung nicht; das ist die gute Nachricht für die Zementindustrie und andere Branchen, in denen sich CO2 nur schwer reduzieren oder gar vermeiden lässt. Die älteste und am weitesten verbreitete Methode zur CO2-Abscheidung ist die Aminwäsche. Sie kommt schon seit Jahrzehnten in der Erdöl- und Erdgasindustrie zum Einsatz. Dennoch ist es nach wie vor teuer, ein Zementwerk mit einer Anlage zur CO2-Abscheidung nachzurüsten. Leider gibt es für Zementhersteller keine Standardlösungen – noch nicht. Das liegt vor allem daran, dass es unzählige Variablen zu berücksichtigen gilt: Wie sieht die genaue Zusammensetzung des Rauchgases eines Zementwerks aus? Besteht zusätzlicher Energiebedarf, und wenn ja, in welchem Umfang? Wie stabil ist die Aminlösung? Welche Auswirkungen hat die hohe Staubentwicklung auf die Langlebigkeit der Anlage? Welche Möglichkeiten bestehen für die Wiederverwendung des abgeschiedenen CO2?
Regulierungsbehörden und andere Stakeholder setzen die großen Emittenten zunehmend unter Druck, ihr CO2 von der Atmosphäre fernzuhalten. Noch steckt der Markt für abgeschiedenes CO2 in den Kinderschuhen. Deshalb müssen Unternehmen in einem unwägbaren Umfeld mit hohen Investitionen in Vorleistung gehen.
Mehr als ein Jahrhundert Erfahrung aus Konzeption und Installation von Abgasreinigungsanlagen und Systemen zur Emissionskontrolle stecken nun in GEAs Portfolio zur CO2-Abscheidung. Die Carbon-Capture-Lösungen gewinnen Abwärme zurück, behandeln Gas vor, nutzen modernste Technologien zur CO2-Abscheidung und bereiten dessen Nutzung und Speicherung vor. GEA kann der Zementindustrie und anderen Branchen, die CO2 nur schwer reduzieren können, einen schnellen und wirtschaftlichen Einstieg in das Thema Carbon Capturing ermöglichen. Das bestätigt auch Dr. Felix Ortloff, Senior Director GEA Carbon Capture Solutions: „Wir haben ein standardisiertes Produktportfolio von CO2-Lösungen entwickelt, mit denen Anlagenbetreiber sofort CO2 entfernen können. Abgasreinigung und Abwärmerückgewinnung kennen wir aus dem FF. Nun können wir die gesamte Bandbreite an Technologien zur CO2-Abscheidung und -Nutzung anbieten, für die Kunden maßgeschneidert, und zu überschaubaren Kosten.“
- Dr. Felix Ortloff, Senior Director, Carbon Capture Solutions, GEA
GEA hat vier standardisierte Anlagengrößen entwickelt, deren Dimensionierung vor allem von der Abwärme der CO2-emittierenden Produktionsprozesse abhing. „Wir konzentrieren uns zunächst auf die Effizienz im Kontext der Gesamtanlage. Deshalb möchten wir die Wärmerückgewinnung maximal ausnutzen“, sagt Ortloff. „Für unsere Kunden hat das den Vorteil, dass sie mit einem geringen oder sogar ohne zusätzlichen Energiebedarf anfangen können, ihr CO2 abzuscheiden. In einem großen Zementwerk mit hohen CO2-Emissionen ist die Abwärme ein guter Ansatzpunkt, der im Durchschnitt eine wärmeneutrale Reduzierung der Emissionen um 20 Prozent ermöglicht. In anderen Branchen, etwa in der Glasindustrie, ist noch mehr möglich. Wenn die Lösung erst einmal in Betrieb ist und wie gewünscht funktioniert, lässt sich jederzeit zusätzliche Kapazität installieren, um mehr CO2 abzuscheiden.“
Bei den PHOENIX Zementwerken im westfälischen Beckum, Deutschland, unterziehen Ortloff und sein Team den Carbon-Capture-Piloten seit Mai 2023 einem intensiven Praxistest. „Nachhaltiges Wirtschaften und Klimaschutz sind Teil unserer Unternehmensstrategie“, sagt Geschäftsführer Marcel Gustav Krogbeumker. „Bei einer Produktionskapazität von rund 500.000 Tonnen Zement im Jahr und einer rechnerisch täglichen Emission von 1.000 Tonnen CO2 haben wir eine Verantwortung, unseren Kohlenstoffausstoß zu minimieren. Wir sind stolz auf unser CCS-Projekt mit GEA und nutzen die Pilotanlage an unserem Standort Beckum, um Carbon Capture für uns auszuloten. Industrie, Politik und Wirtschaftsverbände interessieren sich bereits sehr für das Projekt“, so Krogbeumker. Er ergänzt: „Wir halten Carbon Capture für eine hochspannende Technologie. Dank der jahrzehntelangen Erfahrung von GEA in der Abgasreinigung bin ich sehr optimistisch, dass wir gemeinsam eine Lösung entwickeln, mit der wir Emissionen deutlich verringern können.“
- Marcel Gustav Krogbeumker, Managing Director PHOENIX Zementwerke
Field test for carbon capture at Phoenix cement plant in Beckum, Westphalia, Germany. In conversation: Marcel Gustav Krogbeumker, Managing Director Phoenix-Zementwerke (left), Dr. Felix Ortloff, Senior Director, Carbon Capture Solutions, GEA (right). Image: GEA/Tim Luhmann
As a next step, Krogbeumker plans to work with GEA on a comprehensive CCUS concept for the PHOENIX Zementwerke site in Beckum. “We will evaluate all the data and then discuss the possibility of scaling up carbon capture for our cement plant,” he says. “The question is: Do we opt for carbon storage – in old oil fields and shafts under the North Sea, for example? Or do we want to process the CO2 for re-use? And if we choose the latter: how can we expand the pilot plant so it can clean the CO2 enough to meet the high standards required by the chemical and food industries? Where and in which industries can we find customers for the CO2? What kind of infrastructure do we need to provide for transport? Are we talking about pipelines, reactivating the rail facility, or do we need truck transport? These are interesting and exciting times for us, and I’m confident we can accomplish a lot together with GEA.”
Nächste Schritte für PHOENIX: „Wir werden alle Daten auswerten und dann mit GEA über ein mögliches Scale-up der Anlage entscheiden“, kündigt Krogbeumker an. Er stellt sich die Entwicklung eines Standortkonzepts gemeinsam mit GEA vor. „Die Kernfrage ist: Was wollen wir? Wollen wir Kohlendioxid endlagern, zum Beispiel in alten Ölfeldern und -schächten, etwa in der Nordsee? Oder wollen wir das abgeschiedene CO2 aufbereiten und für eine andere Nutzung zur Verfügung stellen? Und wenn wir Letzteres machen: Wie können wir die Pilotanlage entsprechend erweitern, um das CO2 zu reinigen gemäß der hohen Chemie- und Lebensmittelstandards? Wo und in welchen Industrien gibt es mögliche Abnehmer für das Kohlendioxid? Welche Infrastruktur zum Transport müssen wir bereitstellen, also Pipelines, eine Wiederbelebung der Gleisanlagen zum Transport mit der Bahn oder brauchen wir LKW-Transport? Es sind spannende Jahre, die auf uns zukommen. Mit GEA können wir viel erreichen“, meint Krogbeumker.
- Marcel Gustav Krogbeumker, Geschäftsführer PHOENIX Zementwerke
Wie sich CO2 nutzen und speichern lässt, ist der entscheidende letzte Schritt bei der CO2-Abscheidungskette. Aktuell konzentriert sich GEA bei der CO2-Nutzung auf zwei Bereiche: In der Brauwirtschaft entnimmt GEA dem Fermentationsprozess CO2, verflüssigt es und extrahiert dann Sauerstoff, damit das CO2 für die Getränkeherstellung wiederverwendet werden kann. Außerdem produziert das Unternehmen aus CO2 Karbonate wie Natriumhydrogenkarbonat, die in der Lebensmittel- und Pharmaindustrie zum Einsatz kommen. „Jeder Kunde hat andere Möglichkeiten, das entnommene CO2 zu nutzen“, erklärt Ortloff. „Wir betrachten jeden Fall individuell und prüfen, ob ein potenzieller CO2-Verwerter in der Nähe ist und welche Anforderungen dieses Unternehmen in Bezug auf Reinheit, Aggregatzustand, Druck und Temperatur des CO2 hat. Dann können wir das Gas so vorbereiten, dass es diese Anforderungen erfüllt.“
Mittelfristig sieht Ortloff auch in Methanol eine interessante Möglichkeit, CO2 zu verwenden. Es kann dann entweder direkt als Brennstoff, zu anderen Brennstoffkomponenten weiterverarbeitet oder als Grundbaustein in der chemischen Industrie eingesetzt werden. Ortloff macht aber auch deutlich: Auch wenn sich der Markt für CO2-Nutzung stark entwickelt, dürften die abzuscheidenden CO2-Mengen deutlich größer sein als die Mengen, die CCU zugeführt werden können. Dies bedeutet, dass Lösungen zur Kohlenstoffabscheidung und -speicherung (Carbon Capture Storage, CCS) künftig entscheidend sein werden, um das Versprechen erfüllen zu können, die Treibhausgase zu reduzieren und der globalen Erwärmung entgegenzuwirken.
Auch die Speicherung von CO2 ist eine bewährte Technologie aus der Erdöl- und Erdgasindustrie, die wir in größerem Umfang einsetzen müssen. Tatsächlich bauen Regierungen und Industrie ihre CCS-Kapazitäten in beeindruckendem Tempo aus. Ende 2022 waren laut Global CCS Institute weltweit 30 CCS-Anlagen in Betrieb, weitere elf im Bau und 153 in der Entwicklung. Damit ergibt sich eine CCS-Kapazität von insgesamt 244 Millionen Tonnen pro Jahr – 44 Prozent mehr als im Vorjahr.
Nordamerika liegt dank einer erheblichen steuerlichen Förderung von entsprechenden Investitionen in Kanada und staatlicher Finanzierung über den Inflation Reduction Act 2022 in den USA bei der Entwicklung und beim Einsatz von CCS vorn, dicht gefolgt von Europa. [2] Der EU Innovation Fund will bis 2030 in ganz Europa rund 38 Milliarden Euro in Cleantech investieren und unterstützt bereits große CCS-Projekte in mehreren Branchen, vor allem in der Zementindustrie. China als weltweit größter Zementhersteller liegt bei CCUS-Projekten zwar noch zurück, arbeitet inzwischen aber verstärkt an der Entwicklung entsprechender Technologien. Im Juli 2023 kündigte Peking den Start seines bislang größten CCUS-Projekts für die Zementindustrie an. [3]
Decarbonization of the cement industry requires new uses for CO2 and the development of a carbon dioxide infrastructure.
So wie alternative Antriebstechnologien eine neue Strom- und Wasserstoffinfrastruktur anregen, erfordern auch die Nutzung und Speicherung von CO2 eine spezielle Infrastruktur, um das entnommene CO2 vom industriellen Emittenten zu den Nutzungs- und Speicherstätten zu transportieren. OGE, einer der führenden Fernleitungsnetzbetreiber für Gas in Europa, und das belgische Wasserstoffunternehmen Tree Energy Solutions bauen zum Beispiel gemeinsam eine 1.000 Kilometer lange Pipeline, die rund 18 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr transportieren kann. In diesem Fall dient das CO2 als Träger von erneuerbarem Wasserstoff aus Solar-, Wind- und Wasserkraftanlagen in ganz Europa. Die Pipeline soll grünen Wasserstoff nach Wilhelmshaven transportieren, der neuen Drehscheibe für saubere Energie. [4] „Pipeline- oder Speicheranlagen stellen für den Transport und die Speicherung von CO2 besondere Anforderungen an das Gas“, so Ortloff. „Da wir die Technologie für Abscheidung, Reinigung und Verflüssigung unter einem Dach haben, ist es für unsere Kunden einfacher, diese Anforderungen aus einer Hand zu erfüllen.“