Brauen im Wandel: Drei Säulen des Erfolgs

16. Sept. 2024

Young people enjoying a beer together

Die Brauindustrie befindet sich weltweit im Umbruch. Sie muss sich auf veränderte Verbraucherpräferenzen, steigende Kosten und Umweltauflagen einstellen. Wer es schafft, Innovation zu fördern und gleichzeitig die Tradition zu wahren, wird erfolgreich sein. Zum 150. Jubiläum unseres Braugeschäft erkunden wir drei Erfolgsfaktoren, die Brauereien in dieser Dynamik neuen Chancen eröffnen.

Brauereien im globalen Gegenwind

Das Wetter war schuld. Und das Ausscheiden der deutschen Nationalmannschaft im Viertelfinale der Fußball-EM. Und der Geschmack der jüngeren Konsumenten. Die Hoffnungen der deutschen Brauereien auf Belebung durch die Europameisterschaft haben sich nicht erfüllt. Seit 40 Jahren sinkt der Bierkonsum, allein 2023 um 3,3 Prozent. Doch auch weltweit sieht es nicht besser aus: Auch die führenden Bierproduzenten wie China und den USA brauen weniger, nach Jahrzehnten des Wachstums sank die globale Bierproduktion seit 2015 um vier Prozent. 

Neben den Auswirkungen der Pandemie auf Produktion und Vertrieb setzen vor allem steigende Energie- und Rohstoffpreise sowie der Fachkräftemangel der Branche zu.

Auch auf der Verbraucherseite weht ein frischer Wind: Der Trend zu einer gesünderen Lebensweise macht alkoholarme und alkoholfreie Getränke immer beliebter. Jüngere Generationen sind experimentierfreudiger und zeigen weniger Markentreue, von der Unternehmen lange profitierten. Craftbiere und neue Geschmackskreationen gewinnen an Bedeutung. Traditionelle Brauereien müssen flexibler, nachhaltiger und digitaler werden, um Schritt zu halten.

Bierproduktion ist weltweit unter 2015her-hoch, in Deutschland sinkend
Wie können Brauereien in diesem wettbewerbsintensiven Markt überleben und florieren? Die gute Nachricht vorweg: Technologie bietet immense Möglichkeiten, Brauereien effizienter und widerstandsfähiger aufzustellen. Mit 150 Jahren Brauerfahrung von GEA sehen wir drei Erfolgsprinzipien, die eine neue Ära des Brauens einläuten.

Flexibilität als Erfolgsfaktor

Junge Konsumenten legen zunehmend Wert auf Vielfalt und neue Erlebnisse; sie lösen sich von traditionellen Markenbindungen. Um diesen Erwartungen gerecht zu werden, müssen Brauereien vielseitiger und effizienter werden.

Technisch gibt es kaum Hürden, das Angebot über traditionelles Bier hinaus zu erweitern und beliebte Getränke wie Mischgetränke, Kombucha sowie Ready-to-Drink-Cocktails anzubieten. Brauereien mit bestehenden Sudhäusern können solche Produkte mit minimalen Anpassungen integrieren. Ganzheitliche Engineering-Konzepte und Just-in-Time-Produktion helfen dabei, sich auf die hohe Dynamik des Marktes einzustellen.

Alkoholfreie und -arme Biere boomen – das einzige wachsende Segment im Markt. Hier liegt Potenzial, ein neues, gesundheitsbewusstes Publikum zu gewinnen. Echte Bierliebhaber von alkoholfreien Varianten zu überzeugen, ist jedoch die Königsdisziplin für Brauer – doch es lohnt sich: Jüngst gelang der Augustiner Brauerei aus München der Coup mit dem alkoholfreien Zwilling eines der besten Hellen der Welt. Die erste Neueinführung seit 38 Jahren hat die eigenen Nachfrageschätzungen weit übertroffen.

In der Tat hilft GEA vielen Kunden, den Alkoholgehalt in Bier auf bis zu 0,0 Prozent zu senken und dabei den vollen Geschmack zu erhalten, mit einer Technologie, die auch für alkoholfreie Cider oder Weine einsetzbar ist. Gleichzeitig dient die anfallende alkoholische Base als Grundlage für hybride Produkte, in diesem Fall für alkoholhaltige Trendgetränke wie „Biertails“ und Hard Seltzers.

Saisonale Biere in limitierter Auflage, wie Sauerbiere oder Biere mit exklusiven Zutaten, können eine treue Fangemeinde aufbauen und die Markenbindung stärken. Craft-Brauereien machen es vor: Durch lokale Kooperationen und Veranstaltungen fördern sie den sozialen Zusammenhalt und generieren zusätzliche Einnahmen.

Kreislaufwirtschaft als Zukunftsmodell

Als energie- und wasserintensive Industrie stehen Brauereien vor Herausforderungen wie Klimawandel, Ressourcenknappheit und unsicheren Lieferketten. Es gilt, Ineffizienzen in der gesamten Wertschöpfungskette zu reduzieren und gleichzeitig neue Geschäftsmöglichkeiten zu erschließen. Das wachsende Bewusstsein für Zusammenhänge zwischen Ernährung, Gesundheit, Biodiversität und Klima fördert kreative Konzepte, die Brauereien zirkulär und damit widerstandsfähiger aufstellen.

Das Brausystem der Zukunft wird durch ausgefeiltes Prozessdesign und den Einsatz modernster Technologien bestimmt. Wer die Netto-Null beim CO₂-Ausstoß oder ein 1:1-Verhältnis von Wasserverbrauch zu Verkaufsbier anstrebt, muss den Ressourcenbedarf drastisch reduzieren. Nach Berechnungen von GEA-Experten können große Brauereien ihren Energieverbrauch für einen Neubau um bis zu 90 Prozent senken. Voraussetzung: Tradierte Abläufe und Technologien, die in der Ausbildung erlernt und in der Praxis vieler Brauereien nicht verändert werden, müssen hinterfragt werden.

Drei etablierte Rückgewinnungstechnologien werden entscheidend sein:

  • Wärmepumpentechnologie: Häufig verwendet für das Heizen mit Fernwärme und in Privathaushalten, gewinnen Wärmepumpen auch in Brauereien Abwärme aus der Kälteanlage zurück. Diese wird anschließend für Produktionsprozesse genutzt, so zum Vorwärmen von Wasser für die Reinigung oder das Kurzzeiterhitzen.

  • Mechanical Vapor Re-Compression (MVR): Dieses Verfahren fängt entstehenden Dampf aus dem energieintensivsten Schritt der Brauerei – dem Würzekochen – auf und verdichtet ihn wieder zu Dampf für das weitere Kochen.

  • CO2-Rückgewinnung: In Großbrauereien bereits häufig eingesetzt, in anderen Größenklassen noch zu entdecken: Recovery-Anlagen fangen das Kohlendioxid aus der Gärung auf und bereiten es für die eigene Produktion oder den Verkauf an die Lebensmittelindustrie auf. 

Das Sudhaus ist das Herz der Brauerei, und sein Energieverbrauch im Brauprozess zeigt, dass es sich neu erfinden muss. Fraktionierte Verfahren, die nur noch das Notwendige kochen und die einmal eingebrachte Energie (Wärme) mehrfach nutzen, brechen bereits mit Sudhausparadigmen. GEA stellte ein neues Würzekochen GEA QBOIL auf der BrauBeviale 2023 vor, das den Energieverbrauch um 60 Prozent senkt und die Würzekochzeit halbiert.

Abfall wird es nicht mehr geben. Alles wird als Co-Produkt betrachtet – eine Ressource, die wiederverwendet oder verkauft werden kann. Das Potenzial haben viele Brauereien noch gar nicht erforscht.

Dr. Mark Schneeberger

Senior Director Produktentwicklung, F&E, GEA

So viel Energie benötigt das brauen

Das Upcycling von Abfallprodukten ist ein wichtiger Hebel, um den Ressourcenkreislauf von Brauereien besser zu nutzen und weitere Einnahmequellen zu erschließen. Potenziale liegen im Treber, der Bierhefe genauso wie in anderen Kohlenhydratnebenströmen. 

Über die landwirtschaftliche Nutzung als Futtermittel oder Dünger hinaus bieten Brauereiabfälle ein bisher ungeborgenes Potenzial: Sie können als Quelle für zahllose Materialien dienen, als funktionelle Zutaten in veganen Produkten und Pasta genauso wie als Biokunststoff. 

„In Zukunft wird es Abfall, wie wir ihn kennen, nicht mehr geben. Alles wird als Co-Produkt betrachtet werden – eine Ressource, die wiederverwendet oder verkauft werden kann. Das ist ein ungenutztes Potenzial, das viele Brauereien noch gar nicht erforscht haben“, sagt Dr. Mark Schneeberger, Senior Director Produktentwicklung, F&E bei GEA.

Entwicklungen wie diese treiben die Branche dazu an, Prozesse neu zu konzipieren. Langfristig könnten die traditionellen Brauschritte wie Maischen, Läutern und Würzekochen durch direktere Verfahren ersetzt werden, die dieselben Ergebnisse mit weniger Schritten erzielen.

Autonomes Brauen als Vision

Präzision ist entscheidend für Effizienz und Nachhaltigkeit der Bierproduktion. Die Digitalisierung und Automatisierung eröffnen enorme Chancen, Prozesse planbarer und ressourcenschonender zu gestalten. Beim GEA-Braugespräch zur BrauBeviale 2023 waren sich Branchenexperten wie Manfred Schmidt von der Krombacher Brauerei und Steffen Löser, der die digitale Evolution beim Getränkeriesen Coca-Cola Europacific Partners maßgeblich mitgestaltete, einig: Mit dem Willen zur Veränderung sind Zero-Emission-Anlagen und eine KI-gestützte Getränkeproduktion in greifbarer Nähe.

„Digitalisierung ist kein Heilsbringer. Aber sie schafft Transparenz über unsere Daten und deren Verknüpfung“, erklärte Steffen Löser. Seine Erfahrungen lassen sich eins zu eins auf Brauereien übertragen. KI könne Messwerte in verwertbare Informationen für Maschinenführer, Produktionsplanung, Einkauf und Vertrieb umwandeln. Je mehr fortschrittliche Analytik integriert würde, desto komplexere Algorithmen offenbaren Erkenntnisse, die ein menschliches Gehirn einfach nicht erfassen könnte, so Löser.

GEA hat begonnen, bisher isolierter Datenquellen in seiner Echtzeitüberwachung für Brauereien zu vernetzen und mit prädiktiver KI zu erweitern, um die Nachhaltigkeit der Brauprozesse zu erhöhen. Ein Beispiel: GEA InsightPartner Brewery analysiert Nachhaltigkeitskennzahlen anhand des Energieverbrauchs und der Wärmerückgewinnung im Prozesszyklus und schlägt Effizienzverbesserungen vor. In Zukunft wird GEA OptiPartner Brewery Brauereien im Autopilotenmodus auf Knopfdruck optimieren und damit Anlagenproduktivität und Sicherheit erhöhen können. 

KI wird zum Befreiungsschlag für Braumeister, die sich wieder auf das Brauen statt auf die Datenanalyse konzentrieren können. Mit dem Fachkräftemangel in der Branche sind hochgradig automatisierte Prozesse keine Option, sondern eine Notwendigkeit. Technologie wird dies sehr viel einfacher machen, die Orchestrierung der komplexen Prozesse – zumal im Kreislaufsinn – wird KI übernehmen.

Das Vertrauen in die Potenziale der Digitalisierung erfordert mehr als nur technisches Verständnis – es setzt Fortschrittslust und eine kompromisslose Ablehnung von Verschwendung in der Produktion voraus. Jede zu viel produzierte Flasche Bier, die ungewollt im Regal steht, sei eine verschwendete Ressource, betonte Manfred Schmidt, technischer Geschäftsführer der Krombacher Brauerei. Und Recht hat er. Das geht besser.

Segeln im „Wind of Change“

Veränderte Verbrauchernachfrage, steigende Kosten und drängende Umweltprobleme – der Druck auf die Brauindustrie ist, zugegeben, massiv. Wir glauben, dass Anpassung der Schlüssel ist, und Flexibilität, Kreislaufwirtschaft und Digitalisierung die Säulen sind, auf denen künftiger Erfolg aufgebaut werden muss.

Brauereien werden dann gedeihen, wenn sie innovieren, wenn sie Abfälle in wertvolle Nebenprodukte umwandeln, mit KI die Effizienz steigern, und Produktionsmethoden flexibilisieren, um den sich wandelnden Geschmack zu treffen. 

Die Brauindustrie hat ihre Leistungsfähigkeit bewiesen – nun kommt es auf ihre Veränderungsbereitschaft an. Unsere lange Brautradition bestärkt uns zum mutigen Vorangehen, wie viele unserer Kunden. Der Wandel ist unverzichtbar, und diejenigen, die bereit sind, ihn anzunehmen, werden den Weg weisen. 

Brewer using tablet device in brew house

GEA feiert 150 Jahre Brauereikompetenz

GEA hat den technologischen Fortschritt im Brauereiwesen maßgeblich vorangetrieben: von der Optimierung von Warm- und Kaltprozessen bis hin zum Engineering ganzer Brauereianlagen. Wir helfen unseren Kunden nicht nur, hervorragendes Bier zu brauen, sondern auch Kosten und Abfall zu minimieren. Unsere Vision von der Brauerei der Zukunft kombiniert kontinuierliche Bierproduktionsprozesse, die durch Just-in-Time-Technologien gesteuert und durch intelligente digitale Tools unterstützt werden. Ziel ist es, die Produktivität unserer Kunden zu maximieren und sie dabei zu unterstützen, sich an die gestiegenen Nachhaltigkeitsanforderungen und den Ansprüchen eines sich ständig verändernden Marktes anzupassen. 
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